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Portrait des Berliner Literaten Bernd Ulbrich in seinem Kaulsdorfer Arbeitszimmer. Foto: © Ralf Gründer, Berlin, 22.09.2011

Bernd Ulbrich wurde 1943 in Berlin in ärmlichsten Verhältnissen geboren. Der Vater blieb im Krieg vermißt. Der Großmutter verdankt er menschliche Wärme und Fürsorge. Die Oberschule darf der introvertierte Junge mit den guten Noten, obgleich Arbeiterkind, wegen 'mangelnder gesellschaftlicher Aktivität' nicht besuchen. Die Lehre als Chemiefacharbeiter schließt er mit der Note Vier ab und besteht Ausbildung und Prüfungen gegen pädagogisch unfähige Ausbilder allein deshalb, weil er sich freiwillig zum Wehrdienst bei der Marine gemeldet hat. Anschließend wird er das Abitur an der Abendschule mit Eins absolvieren und Chemie studieren.

Ein Irrtum mit Konsequenzen. Aus dem elenden Dasein als wissenschaftlicher Mitarbeiter kann ihn nur die Existenz als Schriftsteller erretten. Das kindliche Märchen mit elf ist verloren gegangen. Erste Schreibversuche während des Studiums münden nach vierjähriger Chemikertätigkeit 1976 im freiberuflichen Dasein. Die ersten Jahre lassen sich erfolgversprechend an. Mehrere Hörspiele werden produziert, ein Theaterstück beinahe, Lesungen, auch zur Leipziger Messe. Doch schon mit dem zweiten Band science-fiction-Geschichten werden leise halboffizielle Warnungen laut, 'so' nicht weiterzuschreiben. Der dann folgende Band mit Gegenwartserzählungen bringt das niemals von offizieller Seite artikulierte Aus.

Er kann anbieten, was er will, von der sf-Geschichte bis zum historischen Roman, vom Märchenstück bis zur Liebesfilmidee, keine Zeile Neues geht mehr in Druck oder Inszenierung. Aber die Partei verhindert durch gelegentliche Nachauflagen, insgesamt 370.000 Stück verkaufte Exemplare, daß der Autor zum Problemfall wird. Das ist dennoch ein unbefriedigender Zustand. Ein Gespräch im Ministerium für Kultur 1986 endet mit der freundlichen Bitte an den Autor doch in Zukunft einfacher zu schreiben. Man habe bei den Gegenwartsgeschichten nicht gesehen, was man da erlaubte.

Nach dem Mauerfall wird Ulbrich dann die amtliche Bestätigung erreichen, daß er aus ideologischen Gründen nicht mehr veröffentlicht wurde. Namenlos zu sein ist in dieser neuen Gesellschaft des Imponiergehabes schlechter als ein schlechter Name. Ein kurzes Interludium beim Verlag Gustav Kiepenheuer in Leipzig erbringt zwei Bände Erzählungen, die mit dem Verkauf des Verlages untergehen. Elf Jahre lang ignoriert die westdeutsche Verlagslandschaft, in Form von über hundertzwanzig Absagen, auch mit Beispielen exemplarischer Arroganz, den Autor Bernd Ulbrich. In der Zeit arbeitet er konsequent weiter, schafft oder vollendet zwei große Romane, die lange Erzählung „Ich will dein Vater sein", etliche kurze Texte, die beim trafo Verlag unter dem Titel „Das Menschenopfer" erscheinen werden, sowie eine Sammlung Aphorismen, ein Theaterstück. Mit dem Einakter schließt er an den Urgrund seiner literarischen Ambitionen an. Die in der Zeit entstandenen Filmskizzen werden von Fall zu Fall die Grundlage zu einem Romanstoff bilden. Als nächste neue Arbeit steht der Gegenwartsroman „Das Projekt" an. Darauffolgend ein historischer Roman: Handlungszeit Ende 18. Jahrhundert, Handlungsort: vorwiegend die See. Die Idee für einen großen biblischen Stoff braucht noch Reife. Gedanklich beschäftigt ihn auch ein historischer Science-fiction-Stoff und nicht zuletzt die tragische Geschichte seiner Eltern sowie die deren Vorfahren als Pommersche Rittergutsbesitzer mütterlicher- und Berliner Proleten väterlicherseits.

Bernd Ulbrich lebt in Berlin-Kaulsdorf und ist nach wie vor ein aktiver Schreiber. Sein letzter großer Roman „Zwei Tauschen ihren Schatten im Beisein eines Dritten” erschien als Audiobuch.

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Weitere Bücher von Bernd Ulbrich

Tipp 1: Ulbrich, Bernd
Flam oder Diesseits und Jenseits : Roman / Bernd Ulbrich. - 1. Aufl. - Berlin : Trafo, 2005. - 515 S. : Ill. ; 21 cm, 680 gr.
ISBN 3-89626-477-X
Tipp 2: Ulbrich, Bernd
Abends im Park und nachts und morgens : Erzählungen / Bernd Ulbrich. - Halle [u.a.] : Mitteldt. Verl., 1983. - 214 S.
Tipp 3: Ulbrich, Bernd
Der unsichtbare Kreis : utopische Erzählungen / Bernd Ulbrich. - 4. Aufl. - Berlin : Verl. Das Neue Berlin, 1982. - 294 S.
Tipp 4: Ulbrich, Bernd
Der unsichtbare Kreis : utopische Erzählungen / Bernd Ulbrich. - 4. Aufl. - Berlin : Verl. Das Neue Berlin, 1982. - 294 S.
Tipp 5: Ulbrich, Bernd
Der unsichtbare Kreis : utopische Erzählungen / Bernd Ulbrich. - 4. Aufl. - Berlin : Verl. Das Neue Berlin, 1982. - 294 S.
Tipp 5: Ulbrich, Bernd
Elternmisshandlung oder Die Vollendung des Turmbaus zu Babel : Erzählungen / Bernd Ulbrich. - 1. Aufl. - Leipzig : Kiepenheuer, 1993. - 322 S. ; 21 cm.
ISBN 3-378-00527-0