Auf die Zwischenfrage der Journalistin Annamarie Doherr (Frankfurter Rundschau) „Herr Vorsitzender, bedeutet die »Bildung einer Freien Stadt« […], dass die Staatsgrenze am Brandenburger Tor errichtet wird, und sind Sie entschlossen, dieser Tatsache mit allen Konsequenzen Rechnung zu tragen?”, antwortet Walter Ulbricht (Staatsratsvorsitzender, Erster Sekretär des Zentralkomitees (ZK) der SED und Vorsitzender des Nationalen Verteidigungsrates der DDR):

„Ich verstehe Ihre Frage so, dass es Menschen in Westdeutschland gibt, die wünschen, dass wir die Bauarbeiter der Hauptstadt der DDR mobilisieren, um eine Mauer aufzurichten, ja? Mir ist nicht bekannt, dass eine solche Absicht besteht, da sich die Bauarbeiter in der Hauptstadt hauptsächlich mit Wohnungsbau beschäftigen und ihre Arbeitskraft voll eingesetzt wird. Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten!”

Detail: Walter Ulbricht

SED-Chef Walter Ulbricht im Mural "Götterdämmerung" von Gerald Kriedner an der East Side Gallery.  Foto: © Ralf Gründer, Berlin

Zuvor hatte die DDR in einem Appell an die Westmächte wiederholt den Abschluss eines Friedens­vertrages und die Regelung der Westberlin-Frage im Sinne der sowjetischen Vorschläge gefordert. Demnach sollte Westberlin in eine »friedliche, neutrale freie Stadt« umgewandelt werden.

Am 13. August 1961 wurde der RING UM BERLIN »überraschend« geschlossen. Schon beginnend mit der Berliner Blockade (24.06.1948 - 12.05.1949) wurde „Groß-Berlin″ durch die sowjetzonalen Organe systematisch getrennt. Die zunächst noch sehr improvisierten Grenzsperren wurden in der Folge pioniertechnisch weiterentwickelt und perfektioniert. Das für den westlichen Betrachter auffallendste Element, die »Grenzmauer 75«, war letztlich aber nur ein Element in einem komplexen und vielgestaltigen System von stationären und mobilen Sperren. Die wichtigste Sperre war jedoch der »Grenzsoldat«, der bei Dienstantritt durch die Vergatterung darauf eingeschworen wurde, »Grenzverletzungen« nicht zu­zu­lassen und »Grenzverletzter« zu vernichten! Merkwürdigerweise wird dem wichtigsten Sperrelement des ehemaligen „Antifaschistischen Schutzwalls” in der Berliner Gedenk- und Erinnerungslandschaft nicht Rechnung getragen. Zu Kunst modifizierte stationäre Sperren dominieren die Gedenklandschaft. Stahlträger symbolisieren einen Beobachtungsturm. Stahlwände lassen die Schandmauer zur Miniatur zusammenschrumpfen. Andere Spuren weisen auf die Opfer oder auf die Täter oder auf beide zugleich hin! Linien im Boden deuten zaghaft Fluchttunnel an.

Den Opfern wurde allerdings in der Bernauer Straße ein leuchtendes Denkmal errichtet. Leider bliebt den Besuchern aber verborgen, wieso junge uniformierte Diener ihres Staates DDR, der sich auch als „Friedensstaat” bzw. „Friedensmacht” bezeichnete, zu kaltblütigen Mördern an Kindern, Frauen und Männern wurden. Wieso haben militärisch hoch ausgebildete und aufgerüstete Männer wehrlose Kinder bzw. Bürger ihres eigenen Staates erbarmungslos niedergeschossen, ihnen Erste Hilfe verweigert, die Menschenrechte entzogen?

Will man verschweigen, dass die staatlichen Repräsentanten der DDR ihren Staat als organisiertes Verbrecherunternehmen missbrauchten, dass dieser Staat als kriminelle Vereinigung funktionierte - und dass heute noch Repräsentanten dieser vormals staatlich-kriminellen Vereinigung als Politiker und Vertreter des Volkes ungestraft weiterdienen dürfen:

Der Staat” lässt seine Diener nicht im Stich: Mord, Betrug und Verrat als Berufskompetenz für die politische Karriere in der Demokratie!

Ich rufe auf zu einer weiteren öffentlichen Porträtwand, mehrere Meter hoch und lang. Sie soll die Gesichter der „Mauerschützen”, der „Verräter” und „Zersetzer” zur Schau stellen. Die Gesichter der Menschen, die als „IM” dienten, die Mord befohlen haben, die im System mitliefen, die für ihre berufliche Karriere Familienmitglieder, Freunde, Berufskollegen verrieten.

Die Spitzel, Verräter und Mörder aus der DDR sind unter uns! Denkt an die Worte der Betroffenen:

„Der größte Lump im ganzen Land, das ist und bleibt der Denunziant!”

Klagt an und legt ihnen endlich das Handwerk. Für eine STASI-freie Regierung, für eine STASI-freie Bundesrepublik!

 


Lit.-Tipp: Stern, Carola
Ulbricht : eine politische Biographie / Carola Stern. - Frankfurt am Main : Büchergilde Gutenberg, c 1964. - 356 S. : Ill.

Das vollständige Zitat: Walter Ulbricht

„Ich verstehe Ihre Frage so, daß es in Westdeutschland Menschen gibt, die wünschen, daß wir die Bauarbeiter der Hauptstadt der DDR dazu mobilisieren, eine Mauer aufzurichten. Mir ist nicht bekannt, daß eine solche Absicht besteht. Die Bauarbeiter unserer Hauptstadt beschäftigen sich hauptsächlich mit Wohnungsbau, und ihre Arbeitskraft wird dafür voll eingesetzt. Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten. Ich habe vorhin schon gesagt: Wir sind für vertragliche Regelung der Beziehungen zwischen Westberlin und der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik. Das ist der einfachste und normalste Weg zur Regelung dieser Fragen.

Die Staatsgrenze verläuft, wie bekannt, z.B. an der Elbe usw. Und das Territorium Westberlins gehört zum Territorium der Deutschen Demokratischen Republik. In gewissem Sinne gibt es selbstverständlich staatliche Grenzfragen auch zwischen Westberlin und der Deutschen Demokratischen Republik, wenn die Neutralisierung Westberlins erfolgt. Aber es besteht ein Unterschied zwischen den Regelungen, die für die Staatsgrenze mit Westdeutschland gelten, und den Regelungen, die für Berlin getroffen werden”.

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Quelle: Dokumente zur Deutschlandpolitik IV/6 (1961), 925 ff.