dpa-Brief/Inland

Seite - 3 – 15./16.12.1967 (78 Zeilen)

AKTION „MODERNE GRENZE“ LÄUFT AUF HOCHTOUREN

Die Zone igelt sich immer mehr ein - „Fluchtsichere“ Sperren auf 1350 Kilometer Länge sind das Ziel

Köln, im Dezember 1967

„Aktion moderne Grenze“ heißt das Vorhaben der „Nationalen Volksarmee“ der Sowjetzone, die rund 1350 Kilometer lange Demarkationslinie zwischen beiden Teilen Deutschlands „fluchtsicher zu befestigen.

In den letzten Monaten haben die sowjetzonalen Grenzwächter ihre Anstrengen erheblich verstärkt, die seit 1965 laufende Aktion abzuschließen. Die neueste Erfindung der mit hochdruck arbeitenden Grenztruppen: bis zu 3,20 Meter hohe Metallgitterzäune unmittelbar vor dem freien Geländestreifen an der Zonengrenze, die nicht mehr ohne Hilfsmittel überklettert worden können. Der Informationsdienst des Bundesgrenzschutzes, dessen Zentrale in Köln beheimatet ist, hat in diesen Tagen detailliert alle sowjetzonalen Sicherungs- und Sperranlagen geschildert, die einen Mitteldeutschen an der Flucht aus dem „Arbeiter- und Bauernparadies“ hindern sollen.

Danach beginnt die Überwachung der „Grenze“ zur Bundesrepublik an der 5-Kilometer-Sperrzone. Warnschilder, ein Drahtzaun und Straßensperren weisen unter Androhung von Gefängnisstrafen bis zu zwei Jahren darauf hin, dass die Sperrzone nur mit einem Sonderausweis betreten worden darf. Volkspolizeistreifen kontrollieren Straßen und Wege, die zur Demarkationslinie führen. Die Grenzbevölkerung ist verpflichtet, alle Unbekannten sofort den nächsten Vopo-Dienststellen oder der Grenztruppe zuzuführen oder zu melden.

An die Sperrzone schließt sich ein 500-Meter-Schutzstreifen an.

Auch dieser Abschnitt wird durch Warnschilder, Drahtzaun und Straßensperren in Richtung Bundesrepublik begrenzt. Er darf nur von Personen betreten werden, über deren Linientreue kein Zweifel besteht. Außerdem muss ein „dringendes Erfordernis“ bestehen (z.B. Arbeiten, auf den Feldern oder an Bauten). Der Aufenthalt in dieser Zone ist stundenweise beschränkt, die Genehmigung läuft eine Stunde vor Sonnenuntergang ab. Selbst Volkspolizeiangehörige dürfen den Schutzstreifen nur aus besonderem Anlass und mit Genehmigung der Grenztruppe betreten.

An den 500-Meter-Schutzstreifen grenzen die Sperranlagen. In die Erde eingelassene Beobachtungsbunker aus Betonfertigteilen wechseln mit zehn bis fünfzehn Meter hohen Beobachtungsständen ab, die oft noch zusätzlich mit starken Scheinwerfern ausgestattet sind. Betonbunker, Erdbeobachtungsstände über und unter der Erde, Schutzhütten und Hochstände sind an Grenzmeldeamt angeschlossen. Vor Einbruch der Dunkelheit werden noch Stolperdrähte und akustische und elektrische Signalanlagen verlegt. Besonders unübersichtliches Gelände wird oft zusätzlich mit Hunden überwacht. Grenznahe Ortschaften sind vielfach durch hölzerne Sichtblenden oder auch durch drei Meter hohe, kaum zu überwindende Betonmauern abgeschirmt.

Für die zunehmend motorisierte Grenzüberwachung mit Beiwagenkrädern und leichten, schnellen Streifenwagen wurden Kolonnenwege angelegt, an denen in Abständen von etwa hundert Metern Telefonanschlüsse angebracht sind. An den Kolonnenweg schließt sich der 1,20 Meter tiefe und bis zu zwei Meter breite, mit Betonplatten befestigte „Kfz-Sperrgraben“ an. Dann folgt ein 6-Meter-Kontrollstreifen, der der Spurensicherung dient. Er wird gepflügt, geeggt und in den Sommermonaten mit Unkrautbekämpfungsmitteln bearbeitet. Sonderstreifen, sehr oft auch Offiziersstreifen, suchen nach Angaben des Bundesgrenzschutzes diesen Kontrollstreifen mehrmals am Tage nach Spuren ab.

In Richtung Bundesrepublik schließt sich dem Kontrollstreifen der Doppel-Sperrzaun an - zwei Zäune in einem Abstand von fünfzehn bis fünfzig Metern. Die Zäune bestehen aus über zwei Meter hohen Betonpfählen mit Stacheldrahtbespannung. Zwischen den beiden Zäunen werden - neuerdings in Dreierreihen - Schützenminen und moderne Plastikminen verlegt, deren Splitterwirkung achtzig Meter weit reicht. Andere Abschnitte des Doppelzauns sind mit Stacheldrahtrollen oder Spanischen Reitern ausgelegt.

Vor wenigen Monaten wurde an verschiedenen Stellen der Zonengrenze damit begonnen, den in der bisherigen Weise angelegten Doppelzaun abzubauen. 80 Kilometer dieses Zauns wurden entfernt und durch neuartige, fast ausschließlich doppelreihige Metallgitterzäune ersetzt.

An den Doppelsperrzaun schließt sieh ein abgeholzter und planierter Geländestreifen bis zu einer Breite von 50 Metern an. Dann folgt ein 10-Meter-Kontrollstreifen, der in den letzten Monaten in verschiedenen Gebieten nicht mehr gepflegt wurde.

Der fast überall nur 80 Zentimeter hohe und stark verfallene sogenannte Warnzaun, der früher - von der Bundesrepublik aus gesehen - den ersten sowjetzonalen Hinweis auf die Demarkationslinie bot, ist in der letzten Zeit durch zahlreiche sowjetzonale Markierungssteine, Holzmarkierungspfähle und Markierungssäulen aus Beton ersetzt worden. Die Markierungssäulen sind Schwarz-Rot-Gold gestrichen und mit dem Zonenemblem gekennzeichnet. Sie stehen von der Demarkationslinie etwa zwei Meter abgesetzt auf sowjetzonalem Gebiet. Die Markierungspfähle und -steine sind 50 placiert worden, dass sie den tatsächlichen Verlauf der Demarkationslinie angeben.

Willem Wolfrath

 


Quelle: 15./16.12.1967 – dpa-Brief/Inland, Willem Wolfrath, in: Pressedokumentation – Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Berlin