Abstrakt: Das sogenannte Ministerium für Staatssicherheit der DDR verfolgte Willy Hieronymus Schreiber von 1984 bis zur Abschaffung des Arbeiter- und Bauernstaates. In den Operativvorgängen Eisladen I und II faßten die staatlichen Spitzel auf ca. 5000 Seiten ihre Beobachtungen zusammen. Der Aktenüberlieferung fehlen allerdings die Berichte zu den fehlgeschlagenen Entführungs- und Mordversuchen.

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Willy Hieronymus Schreiber beim Spaziergang entlang der Walter-Nicklitz-Promenade im Berliner-Wedding. Foto: © Ralf Gründer, 21.06.2010

 

Willy H. Schreiber wurde am 25.12.1937 in Halle an der Saale geboren und absolvierte nach seiner 8jährigen Schulausbildung eine Lehre aus Buchdrucker. Seine erste „Wahl” KFZ-Schlosser zu lernen, wurde ihm von der Staatsmacht verwehrt, weil er, auch aufgrund seiner konservativen Eltern, niemals einer Massenorganisation (Pioniere, FDJ) beigetreten war. Seine zweite große Liebe galt aber auch immer der Schaustellerei. Deshalb begann der frisch ausgebildete Buchdrucker sofort als Schausteller zu arbeiten. Nur wenige Jahre später machte sich Schreiber zusammen mit seiner Ehefrau selbstständig. Nach harten Jahren, in denen auch der Tod seiner Mutter und der erst 28 Jahre alten Frau und Mutter der Tochter Katrin fiel, kam der wirtschaftliche Erfolg. Zusammen mit seiner zweiten Frau KP „Astrid” baute Schreiber einen Speiseeisladen auf.

Biographische Notizen zu Willy Hieronymus Schreiber. Video: © Ralf Gründer, 21.06.2010

 

Mit dem Erfolg und dem Geld kamen aber auch die Neider auf die Szene. Als sein ärgster Feind erwies sich jedoch seine zweite Frau, die zusammen mit Ihrem Geliebten IM „Rolf” und der Unterstützung des Anwaltes IM „Czerny” Schreiber beim Ministerium für Staatssicherheit denunzierten, um sich sein „Vermögen” anzueignen.

 

In kollusivem Handeln funktionalisierte das Trio das MfS, welches sich mit bestialischer rot-preußisch-stalinistischer Manier unter der Führung ihres Idols Felix Edmundowitsch Dserschinski dran machte, Schreibers private, berufliche und ökonomische Existenz zu ruinieren.

 

Unter den Augen der Stasi gelang Schreiber, zusammen mit seiner Tochter, die Flucht in den Westen und holte sogar später noch seinen Sohn nach. In der „Freiheit”, in der Bundesrepublik und in Italien, überstand und überlebte Schreiber diverse Entführungsversuche und Mordanschläge der Stasi.

 

Nach dem „Untergang” der SED und der DDR erlebte Schreiber dann allerdings sein rechtstaatliches blaues Wunder. Die Staatsanwaltschaft II bei dem Landgericht Berlin attestierte ihm, dass der Liquidierungsbefehl - unterzeichnet von Generalleutnant Dr. Wolfgang Schwanitz am 11.03.1986 nicht liquidieren wie Töten oder Ermorden bedeutet, sondern übersetzt werden muss mit „Fall abschließen”, „Aktendeckel umlegen„ etc. und stellte demzufolge das Ermittlungsverfahren wegen „Verdachts des versuchten Mordes” ein.

 

Es ist in der Zwischenzeit in der „neuen” Bundesrepublik in Vergessenheit geraten, wie Sachverhalte dieser Art in der Zeit um 1961 bis 1970 von offiziellen Stellen bewertet wurden. Das „Studio am Stacheldraht” hatte Informationsschilder entlang der Berliner Sektorengrenze aufstellen lassen, auf denen zu lesen stand: „Wer Mord befiehlt ist doppelt schuldig”.

 

Heute werden Mörder von Deutschen Gerichten im Namen des Volkes freigesprochen, oder aber wie Eierdiebe verurteilt und auf Bewährung laufen gelassen.

 

Staatlicher Terror, begangen von Dienern einer roten Diktatur, wird auch von den Dienern eines sogenannten demokratischen Staates nicht verfolgt. „Die Mörder sind unter uns” und lassen sich vom ehemaligen Klassenfeind mit fetten Pensionen und Renten aushalten.

 

Pfui Teufel Deutschland!!!

Gez. Ralf Gründer, Redaktion Berliner-Mauer.de, 01.07.2010
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Lit.-Tipp 1: Willy Hieronymus Schreiber, Im Visier, Chronik einer Flucht, 2. Auflage, TvR, 2009
Lit.-Tipp 2: Willy Hieronymus Schreiber, Chronik einer Flucht (Dokumentenband), TvR, 2010
Lit.-Tipp 3: Menschlich bewegt, Bundesminister de Maiziére gab sein Amt wegen langjähriger Stasi-Kontakte auf, die er selbst noch bestreitet, in: Der Spiegel 52/1990, Seite 20 - 23
Lit.-Tipp 4: „Ehrlich, treu, zuverlässig”, Der Spiegel Nr. 50/44. Jahrgang, 10. Dez. 1990, Seite 30 - ...