Mit der Genehmigung der Grenztruppen bzw. des Ministeriums für Nationale Verteidigung der DDR, einen 1,3 km langen Rest der ehemaligen Hinterlandmauer zwischen der Oberbaum- und der Schillingbrücke an der Friedrichshainer Mühlenstraße für sein Kunstprojekt verwenden zu dürfen, begann Dave Monty (alias Siegfried Schönfelder) Künstler für sein Projekt, die längste Open-Air-Gallery der Welt zu schaffen, zu suchen. Es sollten 118 Künstler werden, die zwischen vier und 30 Segmente bemalten.

Videobericht: © Ralf Gründer, Berlin

Vorweg möchte ich in Erinnerung bringen, dass die ehemalige Open Air Gallery an der Berliner Mauer in Ostberlin-Mitte zu Kreuzberg (West-Berlin) in der Zeit von 1984 bis zum Mauerfall eine Länge von ca. 15 km hatte. Vom Bethaniendamm, Ecke Köpenicker Straße, wand sich ein Band mauerhoher Gemälde bis zum Potsdamer Platz. Wo es keine Bilder gab, war die Mauer übersät mit Graffiti, die aus der Mauer eine öffentliche Wandzeitung machte.

Ein unbekannter Künstler klebte eine Colage aus Tapete und Tagesspiegel auf die Berliner Mauer (Antifaschistischer Schutzwall, Schandmauer) im Bereich des Bethaniendamms. Weitere Info: Vorboten: Berliner Mauerkunst, eine Dokumentation von Ralf Gründer (ISBN: 978-3-412-16106-4)

Berliner Mauerkunst: Collage "Tagesspiegel". Foto: © Ralf Gründer, Berlin (1985)

Nach einem Künstleraufruf, veröffentlicht Anfang 1990 in einer Berliner Zeitung, kam es zur gegenseitigen Kontaktaufnahme zwischen Dave Monty und den Künstlerverbänden der DDR mit Sitz in Ostberlin und in Suhl und der Bundesrepublik mit Sitz in Frankfurt am Main. Monty, der sich zu keiner Zeit mit der Kunst an der Berliner Mauer beschäftigt hatte, wollte sicherstellen, das seriöse Künstler an dem Projekt teilnehmen. Offiziere des Nationalen Verteidigungsrates (NVR) der DDR hatten zudem gefordert, dass es zu keiner "Hetze" an der Mauer kommen darf. Damit steuerte Monty aber direkt in einen Konflikt hinein, denn seine Idee war, die Kunstaktion von großen US-Firmen finanziell fördern zu lassen. Damit waren aber weder die im DDR-Verband noch die im West-Verband organisierten Künstler einverstanden. Es bestand zwischen den Verbänden Einhelligkeit darüber, dass die Wirkung der Kunstwerke nicht durch Werbung beeinträchtigt  werden darf. 

Mit einer Anzeige hatte Monty auch die Suche nach einer Assistentin aufgenommen, die ihn bei der Arbeit mit den Künstlern unterstützen sollte. Christine Maclean schreibt in ihrem Buch, dass sie mit "Feuer und Flamme" die Arbeit am 11. Januar 1990 aufnahm, ohne mit Monty eine schriftliche Vereinbarung getroffen zu haben (S. 88). Den gewonnenen Freiraum wollte Monty für die Beschaffung von Fördermitteln verwenden. Da aber die Verbände Werbung ablehnten und sich zudem weigerten, mit der Arbeit zu beginnen, solange dieses Thema nicht geklärt ist, hatte Monty ein Problem!

Ungeachtet dessen, und ohne hier Namen zu nennen, preschte ein BRD-Künstler vor und begann mehrere Segmente zu bemalen. Da dies als verbandsschädigend gewertet wurde, folgte der Ausschluss.

Da Dave Monty mit den Künstlern zu keiner Einigung kam, konnte er keine Geldgeber finden und demzufolge hatte Monty auch keinen Etat, um seiner Assistentin einen Lohn zu zahlen, geschweige denn, die arbeitenden Künstler mit Sachmitteln zu unterstützen. Eine Künstlerin wies mich dankenswerterweise darauf hin, dass die Mehrheit der Künstler bereit waren, ihre Bilder ehrenamtlich zu malen. Zitat: "Am Anfang war uns bewusst, dass wir alles aus eigener Tasche zahlen mussten." Diese Aussage lässt sich durch einen Künstlervertrag belegen, mehr noch: der erste Vertrag zwischen Dave Monty und Dr. Narendra Jain vom 22. Feb. 1990 offenbart ungeheuerliches. Dr. Jain unterschrieb, das er sein Werk innerhalb von 14 Tagen auf eigene Kosten erstellt und seine 'Urheberrechte` zeitlich unbegrenzt an den Kunstmanager überträgt.

"Der angegebene Künstler verpflichtet sich, innerhalb von 14 Tagen seine eigenen Arbeiten selbstständig (Material soweit vorhanden, wird gestellt) auf der zur Verfügung gestellten Fläche fertigzustellen.

Die Urheberrechte des Künstlers werden übertragen an East Side Gallery David Monty. ..."

gez. Narendra Jain, 22.02.199

Eine Aufwandsentschädigung kam erst ins Gespräch, als die WUVA das Management der East Side Gallery übernahm. War es nur der ausgebliebene Lohn, der zum Zwist zwischen Monty und Maclean führte? Über das, was genau passiert ist, schweigt sich Christine Maclean leider aus. Es wurde kolportiert, David Monty sei Alkoholiker und deshalb einfach irgendwann von der Bildfläche abgetreten. Einen anderen Blick auf Montys verschwinden offenbart ein Brief von Christine Maclean vom 11. April 1990. Sie schrieb:

"Dave ist völlig raus, obwohl er das immer noch nicht kapiert. Er hat mich heute angerufen und die ganzen Unterlagen von den Künstlern verlangt, aber ich gebe ihm die nicht - wenn er mir ein paar Tausend Mark gibt werde ich es mir vielleicht überlegen, ansonsten kann er das vergessen."

1990 04 11 Maclean 01geschwaerzt  1990 04 11 Maclean 02geschwaerzt 

Hier drängt sich die Interpretation auf, dass - aus welchen Gründen auch immer - Christine Maclean Dave Monty aus dem Kunstprojekt hinausgeschmissen hat. Korrekt wäre es gewesen, wenn sie auf der Grundlage von Unstimmigkeiten ihren (mündlich geschlossenen Vertrag) gekündigt und sich zurückgezogen hätte. Stattdessen sieht es so aus, als hätte sie den gesamten Aktenbestand mit den Künstlern an sich genommen, um damit zur WUVA überzulaufen. Den Brief so ausgelegt, käme man zu der Annahme, dass aus der Managerin und selbsternannten Mutter der East Side Gallery die Diebin des Kunstprojektes East Side Gallery geworden ist, die in einer Form des "hostile take over" das Projekt an sich gerissen hat.

Dann wäre Dave Monty, beraubt um sämtliche Unterlagen, das Opfer einer Frau, die bis heute über die wirklichen Gründe schweigt, obwohl sie in ihrem Buch "Berlin - East Side Gallery - Berlin" schreibt, mit "Ehrlichkeit und Humor" aus dieser Zeit berichten zu wollen.

Sie schreibt: "Irgendwann, im März 1990 verlor Monty das Interesse an dem Projekt. Es wurde nichts gesagt, keine schriftliche Erklärung, wir haben uns nur irgendwie auseinander gelebt". (Berlin East Side Gallery Berlin , S. 98)  Der oben wiedergegebene Brief spricht allerdings eine deutlich andere Sprache.

Besonders infam wird es auf S. 104. Dort heißt es: "Ein paar Leute haben Monty in den letzten 29 Jahren aus der Geschichte der East Side Gallery herausretuschiert. ... Er verdient es, dafür anerkannt zu werden." Der oben zitierte Brief legt nahe, dass sie es war, die Dave Monty aus seinem Projekt ´herausretuschiert` hat, um mit seinem Aktenbestand bei der WUVA eine Anstellung anzunehmen.

In zwei E-Mails an Christine Maclean habe ich um eine Stellungnahme zu dem oben wiedergegebenen Brief gebeten, aber die E-Mails blieben unbeantwortet.

Der Einfluss oder die versuchte Einflussnahme der Stasi auf die East Side Gallery muss noch näher untersucht werden.


Tipp 1: Berliner Mauermalerei : ein dokumentarischer, multimedialer Spaziergang entlang der Berliner Mauer in der Zeit vor und während des Mauerfalls 1989 ; [CD-ROM] CD-ROM. - Berlin : Gründerzeit Verl., [1999]. - 1 CD-ROM + 1 Beih. - Systemvoraussetzungen: Windows 95/98; 486 PC 100 MHz; 32 MB RAM, besser 112 MB; Soundkarte 16 Bit; CD-ROM-Laufwerk (double-speed); Grafikkarte 800x600 Pixel, True Color. - USK: Info- Lehrprogramm gemäß § 14 JuSchG / Eigenvergabe 109j.
ISBN 3-9806893-0-1
Auf der CD-ROM Berliner Mauermalerei - Ein dokumentarischer Spaziergang ... finden Sie weitere Informationen zur East Side Gallery und Interviews mit einigen Künstlern

Tipp 2: Verboten: Berliner Mauerkunst : eine Dokumentation / von Ralf Gründer. - Köln ; Weimar ; Wien : Böhlau, 2007. - 352 Seiten : überw. Ill. ; 22 cm.
ISBN 978-3-412-16106-4

Tipp 3: Niemand hat die Absicht ... : Screenshot-Fotografie aus der Kameraarbeit von Herbert Ernst ; gedreht in den Jahren 1961 und 1962 im geteilten Berlin ; eine Dokumentation / von Ralf Gründer. - 3. Auflage. - Berlin : Berliner Wissenschafts-Verlag, 2016. - 456 Seiten : Illustrationen ; 20.8 cm x 21 cm.

ISBN 978-3-8305-3673-4

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