Der ehemalige RIAS-Musikredakteur und Verkehrshistoriker Sigurd Hilkenbach (* 18.03.1931 † 04.08.2024) und der Kameramann der Neuen Deutschen Wochenschau (NDW) Georg Pahl auf der Suche nach den Spuren der verlorenen Zeit.

Sigurd und Georg besuchen zusammen Orte, an denen sie in den 60er, 70er, 80er und 90er Jahren aus privaten oder beruflichen Gründen aktiv waren.

Sigurd suchte als Straßenbahnenthusiast und Berlinverliebter die Orte auf, an denen seine Heimatstadt durch die Willkürmaßnahmen der SED von seinem Umfeld abgetrennt wurde. Insbesondere die Stellen, an denen Straßenbahn- und/oder S-Bahnlinien durch die Berliner Mauer versperrt wurden, wollte er dokumentieren, weil hier seine Welt eine widerrechtliche Grenze fand. Zuerst fotografierte Sigurd mit einer AGFA Box, später mit einer vollautomatischen AGFA Optima, bei der er nur noch die Schärfe einstellen musste.

Hauptberuflich war Sigurd Musikredakteur beim RIAS, produzierte aber auch Audiospaziergänge in die Mark Brandenburg, die heute noch auf Radiotape in seinem Privatarchiv liegen.
Seine andere große Liebe galt der Musik. Mit dem Quartett Ping Pongs hatte er Auftritte und produzierte eigene Plattenaufnahmen. Bis ins hohe Alter sang er im Chor.

Georg war Kameramann bei der Neuen Deutschen Wochenschau (NDW) und dokumentierte aus beruflichen Gründen die Ereignisse an der Mauer, die seiner Redaktion wichtig erschienen. Dazu gehörten auch Baumaßnahmen und Ereignisse an der Mauer, Staatsbesuche und sonstige kulturelle Ereignisse. Seine Aufnahmen, gedreht mit einer Arriflex 35 mm und diversen Objektiven, erschienen in der NDW, im Deutschlandspiegel und anderen Wochenschauformaten.

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Li.: Musiker, RIAS-Musikredakteur und Verkehrshistoriker Sigurd Hilkenbach. Foto: © Ralf Gründer
Re.: Kameramann, Filmproduzent und Zeitzeuge Georg Pahl Junior. Foto: © Ralf Gründer 

 

Kurzgefasste biografische Daten zu Georg Pahl Jun.

Georg Otto Ernst Pahl ist der Sohn des Fotografen und Wochenschau-Kameramanns Georg Paul Pahl. Seine Mutter Charlotte führte den Haushalt und kümmerte sich um die Erziehung der drei Kinder. Als Kriegskind erlebte G. Pahl die ersten Bombenangriffe auf Berlin. 1943 wurde er nach Wörth am Main evakuiert und kam erst im Oktober 1946 wieder nach Berlin zurück.

Nach der mittleren Reife ging Pahl Jun. 1953 bei Foto Wegert als Fotofachkaufmann in die Lehre. Nach der Abschlussprüfung 1956 forderte der Vater seinen Sohn erfolgreich auf, seine Berufswahl zu überdenken. Georgs erster Arbeitstag als Kameramann bei der Neuen Deutschen ­Wochenschau war der 1. Juni 1957. Mit seinem Vater traf er bei den Filmfestspielen auf Stars wie Hans Albers, O. E. Hasse, Liselotte Pulver u. a. Damals war das ein großartiges Ereignis mit einem unglaublichen Publikumsandrang. Die eigentliche Ausbildung fand in Hamburg statt. Anschließend schickte die Redaktion den jungen Pahl 1959 nach Bonn, um als ­Kameraassistent die Welt der Diplomatie mit ihren Tücken kennenzulernen.

Da Georgs Vater in der Nacht vom 12. auf den 13. August 1961 einen Herzinfarkt erlitt und sich davon auch nicht so recht erholen wollte, ­beorderte die Zentrale Pahl Jun. Mitte September 1961 von Bonn nach Berlin zurück, um die Aussenstelle zu übernehmen.

Bis 1984 drehte Pahl Jun. ausschließlich auf Film, um dann auch mit den neu aufkommenden Videokameras zu arbeiten. Das war eine wesentliche Erleichterung und ermöglichte es, auch Szenen einzufangen, die mit dem alten Equipment eher dem Zufall vorbehalten waren.

Nach dem 9. 11. 89 drehte Pahl Jun. den Fortgang der friedlichen Revolution, z. B. die umstürzenden Mauersegmente am Pariser Platz und die schaulustigen Menschen, die sich versammelt hatten, um der Mauerdemontage beizuwohnen. Beeindruckend war auch das Silvesterfest 89/90 am Brandenburger Tor.

Bis zur Schließung der Aussenstelle Berlin der Neuen Deutschen Wochenschau 1973 blieb Pahl Jun. der NDW treu, für den er im In- und Ausland Reportagen gedreht hatte. Über diesen Termin hinaus drehte er Beiträge und Dokumentarfilme für den Deutschlandspiegel.

Einer der letzten Beiträge, an der Pahl Jun. mitwirkte, war das Pink-­Floyd-Konzert am 21. 7.1990, welches grenzüberschreitend in Ost- und West-Berlin auf dem Potsdamer bzw. Leipziger Platz stattfand. Nach dem Aus der Wochenschau machte er sich selbstständig und drehte Dokumentarfilme für verschiedene Auftraggeber.

Nach 50 Jahren Arbeit ging Pahl Jun. 2003 in den Ruhestand. Noch heute sagt er, ist er seinem Vater dankbar, dass er ihn motiviert hatte, Kameramann zu werden. Die Vielseitigkeit des Berufs war fantastisch und an die unglaublichen Erinnerungen seiner vielen Reisen denkt er noch heute gerne zurück. Seit 2016 unterstützt Georg Pahl das Freie Dokumentarfilm-Team als Zeitzeuge im Projekt „Erlebte Geschichte“.

 


Tipp 1: Erlebte Geschichte, Bd. III: Berlin in der Zeit der Mauer auf | IMDB |

Tipp 2: Eine Staffel Stukas und drei Schwäne vorüber geflogen, Rückblicke auf das Jahr 1945, hrsg. von Günther H. W. Preuße, S. 85 bis 104