Willy H. SCHREIBER - Höhenrainerweg 16 - 85570 Markt Schwaben - Tel/Fax: 08121-41229

Bundespräsidialamt                                                                 21. November 2012
Schloss Bellevue - Spreeweg l - D-10557 Berlin

 

Bundespräsident Dr. Joachim Gauck - persönlich -

offener Brief

Betrifft: „Tatsachen“

 

Herr Bundespräsident,
Herr Dr. Gauck,

 

man kann Kanzelreden halten und die Masse jubelt, sofern die Akzente zu einem bestimmten Thema vom Redner bewußt richtig gesetzt sind. Man kann im zweiten Anlauf in die Position eines Bundespräsidenten geschoben werden, weil man glaubt, die vorangegangenen Tätigkeiten als ehemaliger Leiter der BStU-Behörde, danach als Vorsitzender der Gesellschaft „Gegen Vergessen - für Demokratie e.V.“ und als einstiger Pfarrer wären Sie für die große, applaudierende Menge die richtige Person, um als Bundespräsident zu agieren.

 

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Besonders als ehemaliger Leiter der BStU-Behörde sollten Sie um die Brisanz der von ehem. Hauptamtlichen Mitarbeitern handschriftlich aufgezeichneten Unterlagen und Akten aus der Staatssicherheitsbehörde der DDR wissen (siehe beigefügte Kopien) und, egal in welcher Position, sich dazu auch äußern.

Einige dieser Unterlagen sind besonders hervorzuheben, da (schriftlich vorliegend) mit der „Bestätigung zur Liquidierung“, d.h. die vorsätzliche Tötung eines aus der DDR geflüchteten Menschen, befohlen wurde.

Somit bin ich beim Thema.

Die genannte „Bestätigung zur Liquidierung“ ist nur ein Beispiel aus den mir vorliegenden mehr als 5.000 (fünftausend) Seiten Stasi-Unterlagen mit unzähligen Beweisen der vielfach erfolgten Verunsicherungs- und Zersetzungsmaßnahmen meiner Person.

So erhielt ich erst im Jahre 2008/2009 vom Bundesarchiv auch den Beweis der Denunzierungen, die der Anlass zu meiner unfreiwilligen Flucht waren. Somit führten diese falschen Aussagen auch zur weiteren zehnjährigen Flucht (10 Jahre) und Verfolgung im sog. OPERATIONSGEBIET.

Diese falschen Denunzierungen wurden bewußt und kollusiv vom dem Stasi-Zuträger Rechts(?)Anwalt Lothar de Maiziére, letzter Ministerpräsident der DDR, an das MfS gegeben.

Dieser Denunziant wurde als IM „Czerny“ enttarnt!

Lothar de Maiziére ist heute wieder in politisch aktiven Gesellschaften tätig. Zum Beispiel als „Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft e. V.“

„Zweiter Vorsitzender des Vereins „Werkstatt Deutschland“, „Chef des Lenkungsausschusses „Petersburger Dialog mit Russland“ und weiteren.

Weshalb schreibe ich Ihnen, weshalb zum zweiten Mal?

Mit Datum 23. Oktober 2010 (!) wandte ich mich in einem offenen Brief unter Beifügung mehrerer Beweisunterlagen der BStU an Sie und die unter Ihrem damaligen Vorsitz stehende Vereinigung „Gegen Vergessen - für Demokratie e.V.“ mit der Bitte zur Eingangsbestätigung und um Beantwortung der in diesem Schreiben gestellten Fragen zu dem Stasi-Informanten Lothar de Maiziére - Deckname IM „Czerny“.

Dieses Schreiben wurde von Ihnen nicht beantwortet!!! Das empfinde (nicht nur) ich als eine grobe Unhöflichkeit von Ihnen!

Auf Grund der Nichtbeantwortung des Schreiben, d.h. auch Nichtbeachtung des Problems, muß ich annehmen, daß auch Sie die von Ihnen selbst getroffene Aussage der „Verabredung des allgemeinen Vergessens“ praktizieren, (siehe beigefügte Pressekopie)

Dabei wird vielfach die „Transparenz“ und besonders die „Aufarbeitung der SED-Diktatur“ in den Mittelpunkt Ihrer Reden gestellt.

Dazu folgendes:

Das die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur mit der Deutschen Gesellschaft e.V. auf das engste zusammenarbeitet, Podiumsdiskussionen, Foren usw. veranstaltet und politisch brisante Themen in die Öffentlichkeit trägt, somit zur Aufarbeitung beiträgt, ist begrüßenswert.

Allerdings auch sehr problematisch.

Nur ein Beispiel: Die Bundesstiftung Aufarbeitung und die Deutsche Gesellschaft e.V. stellten gemeinsam u.a. das wichtige Thema „Häftlingsfreikauf“ aus der DDR und auch „Flucht - Ausreise - Freikauf“ in einer öffentlichen Veranstaltung zur Diskussion.

Das widerwärtige Paradox dabei ist, daß der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft e.V., der RA Lothar de Maiziére - ehem. Stasi-Denunziant und Informant IM „Czerny“ ist und durch seine Spitzel- und Denunzierungstätigkeit DDR-Bürger erst in den politischen Strafvollzug (Hohenschönhausen usw.) gebracht hat.(siehe beigefügte BStU-Unterlagen)

Des weiteren führte der RA L. de Maiziére den Stasiauftrag durch, politisch inhaftierte Personen zur Selbsteinweisung in die Psychiatrie zu bewegen.

Diese Un-Person de Maiziére trägt somit eine erhebliche und belastende Schuld!

Hiermit erlaube ich mir, Ihnen als Bundespräsident, der mit vorgenannter Materie vertraut ist, folgende Fragen zu stellen.

1. Wie stehen Sie zu den hier beigefügten Beweisen und Unterlagen zu Lothar de Maiziére und seinen weiteren öffentlichen Tätigkeiten?

2. Wie stehen Sie zu dem hier aufgezeigten undemokratischen Verhalten der Deutschen Regierung, den verantwortlichen Staatsvertretern und dem bewußten Stillschweigen der Öffentlichkeit gegenüber?

Die im Jahre 2010 erfolgte Farce, Ihnen im Schreiben vom 23.Oktober 2010 (hier als Kopie beigefügt) in sehr kurzer Form und mit Beweisunterlagen dargelegt, sowie das Festhalten an nachweisbar in die MfS/Stasi-Diktatur verstrickten IM's, Mitarbeitern und Zuträgern durch politisch aktive Gesellschaften, Einrichtungen, Vereinigungen usw. ist von öffentlichem Interesse und sollte umgehend zur Diskussion gestellt werden!!!

Zur weiteren Information hier noch Zitate des Bundestagspräsidenten Prof. Dr. Lammert zur „Ehrenrede“ des Lothar de Maiziére, Stasi-Zuträger und IM „Czerny“.

„....ihn dazu einzuladen, geht auf eine Entscheidung des Ältestenrates zurück, dem der Präsident, die Vizepräsidenten und 23 weitere Vertreter aller Fraktionen angehören...“ und

„....L. de Maiziére ist auf ausdrücklichen Wunsch der Fraktionen als Festredner eingeladen worden,- natürlich in Kenntnis der damaligen Vorwürfe und Diskussion über eine mögliche Stasi-Tätigkeit......“

Es stellt sich die Frage, was ist das für eine Regierung mit ihren sog. „Volksvertretern“? Ist sie noch im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte bei derartigen „Entscheidungen" und den „ausdrücklichen Wünschen“?

Eine solche Verhaltensweise der „heute regierenden“ ist instinktlos, inakzeptabel und ein ungeheurer Schlag ins Gesicht aller Opfer der DDR-Diktatur und aller Menschen mit Gewissen. Hier werden die Opfer einer unmenschlichen, verbrecherischen Diktatur von den „Tätern" und auch von den „Repräsentanten" dieser Republik verhöhnt und die Würde des /der Menschen in höchstem Maße verletzt.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Für weitergehende, auch persönliche Gespräche unter Vorlage weiterer Unterlagen zu meiner Gesamtgeschichte, stehe ich gern zur Verfügung.

Ihre Antwort erwartend verbleibe ich

Willy H. Schreiber

 


 

Tipp: Schreiber, Willy Hieronymus
Im Visier : Chronik einer Flucht / Willy Hieronymus Schreiber. [Mit einem Vorw. von Norbert Blüm]. - 2. Aufl. - Jena : TvR, 2009. - 335 S. : Ill. ; 22 cm, 465 gr.
ISBN 978-3-940431-14-1