Akte Trapo Hans Dieter Wesa

Abschied von Hans-Dieter Wesa, in Der Tag, 26. August 1962. Quelle: Polizeihistorische Sammlung Berlin

Am 23. August 1962 versuchte Hans-Dieter Wesa (Oberwachtmeister der Trapo) nach Berlin (West) zu fliehen.

Adolf B. war zusammen mit Hans-Dieter Wesa auf Postendienst. Adolf B. entdeckte die (Fahnen-)Flucht und/oder „Republikflucht” erst, als Wesa schon Berlin (Westsektor Wedding) erreicht hatte. Dennoch schoss B. den Flüchtenden nieder. Von einem Schuss in den Oberschenkel ge­trof­fen brach Hans-Dieter Wesa auf der Stelle zu­sammen. Die „Republikflucht” war beendet! Dennoch trat Adolf B. so dicht an Hans-Dieter Wesa heran, wie es die örtlichen Bedingungen erlaubten und feuerte eine Slave aus seiner Schusswaffe auf den am Boden liegenden ab. Schüsse ins Gesicht und in den Rumpf töten Hans-Dieter Wesa auf der Stelle.

 

Das Kommando der Schutzpolizei berichtet am 24. August 1962 unter Pkt. 3 Folgendes:

„3. Am 23.8.1962, gegen 20.01 Uhr, wurde der 19jährige Trapo Hans-Dieter Wesa beim Versuch, am S-Bhf. Bornholmer Straße nach West-Berlin zu flüchten, von Grepo durch drei Feuerstöße aus MP (ca. 30 Schuss) schwer verletzt.

W. wurde unterhalb der Bösebrücke, ca. 4 - 5 m auf West-Berliner Gebiet, durch Beamte der Schutzpolizei mit Kopf-, Bauch- und Beckenschüssen sterbend aufgefunden.

Nach der Überführung in das Jüdische Krankenhaus durch die Feuerwehr wurde hier sein Tod festgestellt.

MP, 3 gefüllte und 1 leeres Magazin wurden sichergestellt. Unmittelbar nach Abgabe der Schüsse wurden sämtliche Beleuchtungskörper des S-Bhf. Bornholmer Straße für ca. 30 Minuten ausgeschaltet.

Regierender Bürgermeister Senator Schütz, der Kommandeur der französischen Truppen, und franz. Gendamerie am Ort.

Abteilung 1 hat Kenntnis.”

 

Am selben Tag demonstrierten am Kurfürstendamm ca. 30 Personen, die selbstgefertigte Transparente mit der Aufschrift Entwicklungshilfe ja, Geld für Ulbricht? Nein!” und „Schon 40 Tote an der Mauer, wie viele noch?” trugen. Beim Erscheinen der Funkstreife löste sich die Menschenansammlung auf.

 

Am 24.8. wurde gegen 12.00 Uhr auf der Mittelpromenade der Bornholmer Str. - ca. 150 Meter von der Sektorengrenze entfernt - ein Mahnkreuz errichtet. Bis 12.30 Uhr befanden sich ca. 150 Personen am Mahnkreuz. Die Polizei berichtet, dass in den Abendstunden Ehrenposten Fackeln abbrannten.

Hans Dieter Wesa Mahnkreuz 72dpi

Lautsprecherwagen des Studios am Stacheldraht (SaS) berichten an der Zonengrenze in den Bezirken Reinickendorf, Steglitz und Zehlendorf von der Ermordung des Trapos. Sowjetzonale Lautsprecherwagen versuchten diese Nachrichtensendungen durch Gegenpropaganda zu stören.

Aktivisten plakatierten einen Baum vor dem Haus Bernauer Str. 77 mit zwei ca. 9 x 14 cm große handgeschriebene Plakaten mit der Aufschrift:

 

„Berliner laßt nicht locker, die Mauer muss fallen!

 

Aus welchen Gründen auch immer, wurden diese Aufrufe von der Westberliner Polizei entfernt. Gleichzeitig schickte die SED Agitatoren nach Berlin (West), z.B den Rentner Theodor K.: Er wurde beim Verteilen sowjetischer Propaganda im Bereich der Thurneysser- und Gropiusstraße gestellt und festgenommen. Auf den 10 sichergestellten Flugblättern wurde behauptet, dass die angeblich bestehende Terrororganisation „Politische Gemeinschaft" für angebliche Anschläge gegen die Mauer ein Sprengstofflager in der Thurneysstraße (N65) eingerichtet hatte.


Die Ermordung von Hans-Dieter Wesa wurde auch im Gelbbuch der Bundesregierung dokumentiert. Dort wurde Folgendes veröffentlicht:

Zu 2.)

Hans-Dieter Wesa war ein 19.jähriger Unterwachtmeister der sogenannten Transportpolizei, der am S-Bahnhof Bornholmer Straße Dienst tat. Bei dem Versuch, am 23. August gegen 20.00 Uhr an der Bösebrücke am S-Bahnhof Bornholmer Straße nach Westberlin zu flüchten, wurde er von drei Maschinenpistolensalven getroffen und brach schwerverletzt unmittelbar darauf auf West-Berliner Gebiet zusammen. Sein Körper wies schwerste Verletzungen auf. Er hatte mindestens einen Leibquerdurchschuß durch die Bauchhöhle und Leber sowie einen Oberschenkeldurchschuß erhalten.

Verletzt auf Westberliner Gebiet liegend - erhielt er, völlig wehr- und hilflos, noch einen „Fangschuß“. Durch diese an Gemeinheit und Unmenschlichkeit nicht mehr zu überbietende Tat erhielt Wesa einen etwa handtellergroßen Kopfdurchschuß. Dieser Schuß war absolut tödlich. Nach erfolgter Obduktion kam man zu dem Ergebnis, daß die Kopfverletzung entweder von einem Spezialgeschoß mit Sprengwirkung (Zertrümmerungswirkung) oder von einem aus kurzer Entfernung abgegebenen Schuß aus einer weittragenden langläufigen Waffe herrührte.

Obwohl der Zusammengeschossene sofort in ein Krankenbaus transportiert wurde, war eine Rettung aus geschlossen.

Abgesehen davon, daß sich dieser Flüchtlingsmord einwandfrei auf Westberliner Gebiet ereignete, erhält er noch eine zusätzliche Tragik durch die völlig verlogene Version, die die sowjetzonale Nachrichtenagentur ADN für diesen Zwischenfall fand:

„Auf dem Streckenabschnitt des Reichsbahngeländes an der Bornholmer Straße wurde … eine Person festgestellt, die sich in verdächtiger Weise an den Gleisanlagen zu schaffen machte. Da sie trotz Halterufen und Warnschüssen nicht stehenblieb, mußte ein gezielter abgegeben werden. Die Person ist wahrscheinlich verletzt nach Westberlin entkommen.“

(Quelle: Betr.: Gelbbuch „Verletzungen der Menschenrechte, Unrechtshandlungen und Zwischenfälle an der Berliner Sektorengrenze seit Errichtung der Mauer“ (13. 8. 1961 bis 15. 8. 1962), in: B 038, Referat II A1, Politisches Archiv im Auswärtigen Amt, Berlin)

 

Öffentlicher Antrag!!!

Ich beantrage öffentlich die Ver­leihung des Bun­des­ver­dienst­kreuzes für Hans-Dieter Wesa.

Der TRAPO-Oberwachtmeister folgte der Stimme seines Gewissens und wollte nicht mehr Teil des roten SED-Ter­rors über die Freiheit sein. Er folgte damit dem Aufruf des Regierenden Bürgermeisters von Berlin Willy Brandt (O-Ton):

„... an alle Funktionäre des Zonenregimes, an alle Offiziere und Mannschaften: Lasst euch nicht zu Lumpen machen! Zeigt menschliches Verhalten, wo immer es möglich ist, und vor allem, schießt vor allem nicht auf eure eigenen Landsleute!.”

(Quelle: Willy Brandt während einer Pro­test­kund­ge­bung vor ca. 300000 Menschen auf dem Schöneberger Rathausplatz, am 16.08.1961, zwischen 16.00 bis 17.15 Uhr.
 

Hans-Dieter Wesa muss deshalb als ein frühes Opfer der Revolution betrachtet werden, die am 9. November 1989 mit dem Sturz der SED und der Öffnung der Grenze endete. Während jedoch die Fernsehsessel-Revolutionäre mit Ämtern und Würden bedacht wurden, entehrten sie die wahren Opfer der Revolution!!

 


Tipp 1: Wieder ein Flüchtling erschossen, Die Welt, 24. Aug. 1962
Tipp 2: Wieder Flüchtling erschossen, General-Anzeiger für Bonn und Umgebung, 24. Aug. 1962