Protokoll über die Aufteilung Deutschlands in Besatzungszonen und die Verwaltung von Berlin, 12. September 1944

 

Protokoll zwischen den Regierungen der Vereinigten Staaten von Amerika, des Vereinigten Königreiches und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Besatzungszonen in Deutschland und die Verwaltung von „Groß-Berlin“ [2].

 

Die Regierungen der Vereinigten Staaten von Amerika, des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nord-Irland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken haben folgendes Übereinkommen, im Hinblick auf die Ausführung des Artikels 11 der Urkunde der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands [3] erreicht:

 

1. Deutschland, innerhalb der Grenzen, wie sie am 31. Dezember 1937 bestanden, wird zum Zwecke der Besetzung in drei Zonen eingeteilt, deren je eine einer der drei Mächte zugewiesen wird, und ein besonderes Berliner Gebiet, das gemeinsam von den drei Mächten besetzt wird.

 

2. Die Grenzen der drei Zonen und des Berliner Gebietes und die Verteilung der drei Zonen unter den USA, dem UK und der UdSSR wird wie folgt sein:

 

Ostzone

 

(wie in der beigefügten Karte "A" ersichtlich) [4]

 

Das Gebiet Deutschlands (einschließlich der Provinz Ostpreußen), gelegen östlich einer Linie, die gezogen wird von dem Punkt an der Lübecker Bucht, wo die Grenzen Schleswig-Holsteins und Mecklenburgs zusammentreffen, entlang der Westgrenze Mecklenburgs, bis zu der Grenze der Provinz Hannover, dann entlang der östlichen Grenze von Hannover zur Grenze von Braunschweig; dann längs der westlichen Grenze der preußischen Provinz Sachsen zur westlichen Grenze von Anhalt; dann längs der Westgrenze von Anhalt; dann längs der westlichen Grenze der preußischen Provinz Sachsen und der westlichen Grenze Thüringens bis dahin, wo die letztere die bayrische Grenze trifft; dann ostwärts längs der nördlichen Grenze Bayerns bis zur tschechoslowakischen Grenze vom Jahre 1937, wird von den bewaffneten Streitkräften der UdSSR besetzt mit Ausnahme des Berliner Gebietes, für das ein besonderes Besetzungssystem weiter unten vorgesehen ist.

 

Nordwestliche Zone

 

(wie in der beiliegenden Karte "A" ersichtlich)

 

Das Gebiet Deutschlands, gelegen westlich der oben bezeichneten Linie, die von dem Punkt aus gezogen ist, wo die westliche Grenze Thüringens die bayrische Grenze trifft; dann westlich längs der südlichen Grenze der preußischen Provinzen Hessen-Nassau und der Rheinprovinz bis dahin, wo die letztere die Grenze Frankreichs trifft, wird von den bewaffneten Streitkräften von .... besetzt werden.

 

Südwestliche Zone

 

(wie in der beiliegenden Karte "A" ersichtlich)

 

Das restliche Gebiet Westdeutschlands, gelegen im Süden von der Linie, wie sie in der Beschreibung der nordwestlichen Zone definiert ist, wird von den bewaffneten Streitkräften von ... besetzt werden.

 

Die Grenzen der Länder und Provinzen innerhalb Deutschlands, auf die in den vorhergehenden Beschreibungen der Zonen Bezug genommen wurde, sind diejenigen, die auf Grund des Erlasses vom 25. Juni 1941

 

(veröffentlicht im Reichsgesetzblatt Teil 1 Nr. 72 vom 3. Juli 1941 [5] wirksam wurden.

 

Berliner Gebiet

 

(wie in den beiliegenden 4 Blättern der Karte "B" ersichtlich)

 

Das Berliner Gebiet (unter welchem Ausdruck das Territorium Groß-Berlins, wie im Gesetz vom 27. April 1920 definiert, zu verstehen ist) [6] wird gemeinsam von den bewaffneten Streitkräften der USA, des UK und der UdSSR, die durch die entsprechenden Oberkommandierenden dazu bestimmt werden, besetzt. Zu diesem Zweck wird das Gebiet von Groß-Berlin in die folgenden drei Teile eingeteilt.

 

Nordöstlicher Teil Groß-Berlins

 

(Bezirke Pankow, Prenzlauer Berg, Mitte, Weißensee, Friedrichshain, Lichtenberg, Treptow, Köpenick)

 

wird besetzt von den Streitkräften der UdSSR;

 

Nordwestlicher Teil Groß-Berlins

 

(Bezirke Reinickendorf, Wedding, Tiergarten, Charlottenburg, Spandau, Wilmersdorf)

 

wird besetzt von den Streitkräften der ...

 

Südlicher Teil Groß-Berlins

 

(Bezirke Zehlendorf, Steglitz, Schöneberg, Kreuzberg, Tempelhof, Neukölln)

 

wird besetzt von den Streitkräften der ...

 

Die Grenzen der Bezirke innerhalb Groß-Berlins, auf die in den vorhergehenden Beschreibungen Bezug genommen wurde, sind diejenigen, die auf Grund des am 27. März 1938 veröffentlichten Erlasses

 

(Amtsblatt der Reichshauptstadt Berlin Nr. 13 vom 27. März 1938, Seite 215) [7]
wirksam wurden.

 

3. Die Besatzungsstreitkräfte jeder der drei Zonen, in die Deutschland eingeteilt wird, unterstehen einem Oberkommandierenden, der von der Regierung desjenigen Landes, dessen Streitkräfte die betreffende Zone besetzen, bestimmt wird.

 

4. Jede der drei Mächte kann nach ihrem Ermessen in die für Besatzungspflichten zugewiesenen Streitkräfte unter dem Kommando ihres Oberkommandierenden Hilfskontingente von Streitkräften anderer alliierter Mächte, die an militärischen Operationen gegen Deutschland teilgenommen haben, einbeziehen.

 

5. Eine Interalliierte Regierungsbehörde (Komendatura), bestehend aus drei Kommandanten, die jeweils von ihren entsprechenden Oberkommandierenden ernannt worden sind, wird gegründet, um eine gemeinsame Verwaltung des Groß-Berliner Gebietes zu errichten.

 

6. Dieses Protokoll ist in dreifacher Ausfertigung in englischer und russischer Sprache entworfen worden. Beide Texte sind authentisch.Das Protokoll tritt bei Unterzeichnung der Urkunde der bedingungslosen Kapitulation durch Deutschland in Kraft.

 

Der obige Text des Protokolls zwischen den Regierungen der Vereinigten Staaten von Amerika, des Vereinigten Königreichs und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Besatzungszonen in Deutschland und die Verwaltung von Groß-Berlin ist vorbereitet und einstimmig angenommen worden von der Europäischen Beratenden Kommission bei der am 12. September 1944 abgehaltenen Sitzung mit Ausnahme der Verteilung der nordwestlichen und der südwestlichen Besatzungszonen in Deutschland und der nordwestlichen und südlichen Teile Groß-Berlins, die einer weiteren Prüfung und eines weiteren Übereinkommens der USA, des UK und der UdSSR bedarf.

 

Vertreter der Regierung der USA bei der Europäischen Beratenden Kommission:

 

JOHN G. WINANT

 

Vertreter der Regierung des UK bei der Europäischen Beratenden Kommission:

 

WILLIAM STRANG

 

Vertreter der Regierung der UdSSR bei der Europäischen Beratenden Kommission:

 

F. GUSEW

 

Lancaster House, London, S.W. 1 den 12. September 1944

 

 

Bewertung: Die „Europäische Beratendende Kommission″ (European Advisory Commission, EAC) war ein beratendes Organ. Deshalb handelt es sich bei den Protokollen und Beschlüssen um Arbeitsvorlagen und nicht um internationale Abkommen oder Beschlüsse. Das Zonenprotokoll sollte den Regierungschefs der drei Mächte und den Außenministern bei der Konferenz von Jalta und der Potsdamer Konferenz als Arbeits- und Entscheidungsvorlage zur Festlegung der Besatzungszonen und den daraus resultierenden Rechten und Pflichten dienen.

 

 

 

QUELLEN.- The Conferences at Malta und Yalta. S. 118 ff; dt. Ausg.: S. 111 ff; Germany, Zones of Occupation und Administration of „Greater Berlin“ Area: Documents on Germany, 1944-1959, S. 1 ff; Dokumente zur Berlin-Frage 1944-1959, 2. Aufl., S. 27 ff; Deuerlein, Einheit Deutschlands, Bd. 1, 2. Aufl.. S. 314 ff

 

2) Fußnote 1 aus "Conferences of Malta und Yalta", S. 118: In einem nicht datierten Anhang zum Dokument J.C.S. 577/28 (J.C.S. - Joint Chiefs of Staff - Vereinigte Stabschefs der US-Streitkräfte) findet sich der folgende Entwurf einer Nachricht der Vereinigten Stabschefs an den amerikanischen Kriegs- und den Marineminister: „Der Gemeinsame Generalstab (Joint Chiefs of Staff) empfiehlt, den Staatssekretär zu benachrichtigen, dass vom militärischen Standpunkt aus keine Gründe bestehen, warum der Protokollentwurf der Europäischen Beratenden Kommission bezüglich der Besatzungszonen in Deutschland und der Verwaltung Groß-Berlins nicht genehmigt werden soll.“

 

Wegen des Textes des Abkommens vom 14. November 1944 zwischen den Vereinigten Staaten, dem Vereinigten Königreich und der Sowjetunion betreffs Ergänzung zu diesem Protokoll siehe weiter unten.

 

Ein Brief des amtierenden Staatssekretärs (Grew) an den Kriegsminister (Stimson) vom 28. Februar 1945 bezog sich auf das Protokoll, das wie folgt ergänzt ist:

 

… Die Ankündigung von der Zustimmung des Präsidenten zu dem ergänzten Protokoll wurde vom State Department am 4. Dezember 1944 entgegengenommen. Das Ergebnis der Unterredungen zwischen den britischen und amerikanischen Militärbehörden bezüglich der Zonen war indessen in der Schwebe, bis am 1. Februar 1945 in einem Telegramm von Malta durch den Staatssekretär mitgeteilt wurde, dass Botschafter Winant autorisiert wurde, die Europäische Beratende Kommission von der Zustimmung der amerikanischen Regierung zu dem ergänzten Protokoll zu unterrichten. Die offizielle Zustimmung der britischen Regierung wurde am 5. Dezember 1944 verkündet, und die sowjetische Regierung gab ihre Zustimmung am 6. Februar 1945 bekannt.“

 

3) Art. 11 des Urkundenentwurfs über die bedingungslose Kapitulation Deutschlands lautet:

 

"Die Alliierten Vertreter stationieren Streitkräfte, Zivildienststellen in irgendwelchen oder allen Teilen Deutschlands nach ihrem Gutdünken.“

 

Das Protokoll über diesen Urkundenentwurf wurde von den Vertretern der Vereinigten Staaten von Amerika, des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und der Sowjetunion in der Europäischen Beratenden Kommission am 25. Juli 1944 in London unterzeichnet.

 

Vgl. Konferenzen von Malta und Jalta. Dt. Ausgabe, S. 109, amerikanische Ausgabe, S. 116.

 

4) Insgesamt existieren vier Karten (A, B, C, D) zu den Londoner Protokollen. Sie wurden u. a. vom amerikanischen Außenministerium in der Reihe Treaties and other International Act Series" 3071 unter dem Titel "Germany. Zones of Occupation and Administration of Greater Berlin Area“ vom Department of State unter der Publikationsnummer 5729 im Jahr 1955 in Washington veröffentlicht.

 

5) Bei diesem Erlass handelt es sich um eine „Verordnung (des Reichsinnenministers) über Gebietsbereinigungen im Raume der Hermann-Göring-Werke Salzgitter“. Durch sie wurden die preußischen Gebietsteile des Stadtkreises und des Landkreises Goslar sowie aus den Landkreisen Marienburg (Regierungsbezirk Hildesheim) und Wernigerode eine Anzahl von Gemeinden in das Land Braunschweig eingegliedert. Aus dem Land Braunschweig wurden dafür der Landkreis Holzminden, aus den Landkreisen Gandersheim, Braunschweig und Wolfenbüttel eine Reihe von Gemeinden in das Land Preußen eingegliedert. Die Verordnung trat am 1. August 1941 in Kraft.

 

6) Veröffentlicht in der Preußischen Gesetzsammlung, Jg. 1920, Nr. 19, S. 123-150. Durch dieses Gesetz bildete die neue Stadtgemeinde Berlin nach § 1, Abs. 2, für sich einen voll der Provinz Brandenburg abgesonderten Kommunalverband und Verwaltungsbezirk.

 

7) In einer Anlage als Nachtrag zur Hauptsatzung der Reichshauptstadt wurde vom damaligen Berliner Oberbürgermeister Dr. Julius Lippert der Verlauf der Verwaltungsbezirksgrenzen der 20 Berliner Verwaltungsbezirke neu festgelegt, wobei es sich aber nur um geringfügige Änderungen der bis dahin bestehenden Grenzen handelte.

 

 

 

 

Über die Pläne zur Behandlung Deutschlands und über die Arbeit der EAC vgl.:

 

Lit.: A Decade of American Foreign Policy, Basic Documents, 1941-1949, S. 9 ff;
Lit.: The Conference of Berlin (Potsdam), Vol. II, S. 614;
Lit.: Deuerlein: Einheit Deutschlands, Bd. 1, 2. Aufl., S. 60 ff;
Lit.: Moltmann: Amerikas Deutschlandpolitik im Zweiten Weltkrieg;
Lit.: Mosely: Friedenspläne der Alliierten und die Aufteilung Deutschlands, Europa-Archiv 1950, S, 3032 ff;
Lit.: Churchill: Memoiren, Bd. IV, 2. Hlbd., S. 188 f;
Lit.: Thayer: Die unruhigen Deutschen, S. 25 ff