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Die sowjetische Berlin-Note

Eine Analyse des US-Außenministeriums

Veröffentlichung des US-Außenministeriums Nr. 6757

Europa- und British-Commonwealth-Serie 51

Herausgegeben im Januar 1959

Abteilung Öffentlichkeitsarbeit

Originaltitel:

„The Soviet Note on Berlin: An Analysis“;

zu beziehen durch: Superintendent of Documents, U.S. Government Printing Office, Washington 25, D.C.; Preis 25 Cents.

Inhalt

Vorwort

I. Die Vorkriegsentwicklung

II. Der zweite Weltkrieg und die Nachkriegsentwicklung
III. Die Nachkriegsbeziehungen zu Deutschland
IV. Die Reparationsleistungen
V. Die Wiederaufrüstung

Anhang
Antwortnote der USA vom 31. Dezember 1958 zur sowjetischen Berlin-Note

Memorandum des US-Außenministeriums vom 20. Dezember 1958 zur Rechtslage in der Berlin-Frage
Erklärung des US-Außenministeriums zu der sowjetischen Note, abgegeben am 27. November 1958
Viermächte-Kommuniqué zur Berlin-Frage, 14. Dezember 1956
NATO-Erklärung zur Berlin-Frage, 16. Dezember 1958
Schlußkommuniqué der NATO-Ministerratstagung, 18. Dezember 1958


Vorwort

Am 27. November 1958 hat die Regierung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken dem Botschafter der Vereinigten Staaten in Moskau eine Berlin betreffende Mitteilung übergeben.

Ähnliche Noten händigte die Sowjetregierung den Botschaftern Frankreichs, Großbritanniens und der Bundesrepublik Deutschland aus.

Im wesentlichen verlangen die sowjetischen Noten von den Vereinigten Staaten, Großbritannien und Frankreich, sie sollten sich aus Berlin zurückziehen.

In ihrer Note hat die Sowjetregierung eine Geschichtsumschreibung vorgenommen und eine Darstellung der Vergangenheit gegeben, in der die Zeitgenossen die erörterten Perioden, die sie selbst miterlebten, schwerlich wiedererkennen dürften. Man hat den Sachverhalt auf zweierlei Art - verändert — durch Fortlassungen und durch Entstellungen.

Im Rahmen der nachfolgenden Ausführungen sollen die wichtigsten Lücken der sowjetischen Darstellung geschlossen und die augenfälligsten Entstellungen, die die sowjetische Note aufweist, berichtigt werden.


1. Die Vorkriegsentwicklung

Die sowjetischen Behauptungen:

In der sowjetischen Note heißt es, vor dem zweiten Weltkrieg habe die Sowjetunion beständig ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit den anderen Mächten im Interesse des Widerstandes gegen die Hitler-Aggression bekundet, und wenn sich die Westmächte nicht der kurzsichtigen Hoffnung hingegeben hätten, Hitler nach dem Osten ablenken zu können, statt mit der UdSSR zusammenzuarbeiten, wären Millionen von Menschenleben erhalten geblieben. Die Note führt aus:

Es ist allgemein bekannt, daß die USA ebenso wenig wie Großbritannien und Frankreich sofort die Notwendigkeit einsahen, mit der Sowjetunion zum Zwecke der Abwehr der Hitler-Aggression zusammenzuarbeiten, obwohl von seiten der Sowjetregierung die Bereitschaft dazu ständig zum Ausdruck gebracht worden war.

Bei einer weitsichtigeren Politik der Westmächte hätte eine solche Zusammenarbeit zwischen der Sowjetunion, den USA, Großbritannien und Frankreich bedeutend früher, gleich in den ersten Jahren nach der Machtergreifung Hitlers in Deutschland, hergestellt werden können, und dann hätte es keine Besetzung Frankreichs, kein Dünkirchen und kein Pearl Harbor gegeben. Dann wäre es möglich gewesen, Millionen von Menschenleben zu bewahren, die von den Völkern der Sowjetunion, Polens, Jugoslawiens, Frankreichs, Großbritanniens, der Tschechoslowakei, der USA, Griechenlands, Norwegens und anderer Länder zur Bändigung der Aggressoren geopfert wurden.

Offenbar haben die bitteren Lehren des mörderischen Krieges bei gewissen Staatsmännern des Westens nichts gefruchtet, die von neuem die notorische München-Politik der Aufstachelung des deutschen Militarismus gegen die Sowjetunion, die noch vor kurzem ihr Waffengefährte war, betreiben.

Dies sind die Tatsachen:

1. Die UdSSR nahm im Jahre 1923 diplomatische Beziehungen zu Deutschland auf und leistete Hilfestellung beim Aufbau einer neuen deutschen Kriegsmaschinerie, den der Versailler Vertrag nach dem ersten Weltkrieg verboten hatte.

2. In der Zeit von 1930 bis 1933 gab die Sowjetunion über ihren internationalen kommunistischen Apparat, die Komintern, der Kommunistischen Partei Deutschlands Anweisung, mit den Nazis und anderen Extremisten bei der Unterminierung der deutschen Weimarer Republik zusammenzuarbeiten. Sie half mit, demokratische Parteien und Institutionen zu sabotieren, und leistete der Mißachtung von Recht und Ordnung Vorschub. Dies kam Hitler bei seinem Aufstieg zur absoluten Macht zugute.

3. Im Jahre 1933, nach Hitlers Machtergreifung, ratifizierten die UdSSR und Deutschland die Verlängerung eines Neutralitätsabkommens.

4. Die UdSSR unterzeichnete zwischen 1922 und 1933 sechs Kredit- und Handelsabkommen mit Deutschland. Als sich Hitlers Position nach 1933 festigte, schloß die UdSSR weitere 12 Abkommen mit dem Naziregime, während Hitler in dieser Zeit seine Militärmacht aufbaute.

5. Die UdSSR zog sich im August 1939 von den Verhandlungen mit Großbritannien und Frankreich zurück, um die Molotow-Ribbentrop-Abkommen abzuschließen, die die für eine koordinierte nazistischsowjetische Aggression in Osteuropa erforderlichen Garantien enthielten und den zweiten Weltkrieg auslösten.

6. Ungeachtet der Warnungen der Westmächte vor dem bevorstehenden deutschen Überfall unterstützte die Sowjetregierung Nazideutschland bis zum Einmarsch Hitlers in die UdSSR im Jahre 1941.

7. Im April 1941 unterzeichnete die UdSSR einen Neutralitätspakt mit den japanischen Bundesgenossen Hitlers und ebnete damit den Weg für den Überfall auf die USA in Pearl Harbor am 7. Dezember 1941.

8. Die USA, Großbritannien und Kanada versorgten die UdSSR während des Krieges mit großen Mengen kriegs- und lebenswichtiger Güter. Diese Hilfeleistung verlieh der prompten politischen Unterstützung Nachdruck, die die Vereinigten Staaten seit dem ersten Tage nach dem Hitler-Überfall im Juni 1941 Sowjetrußland zuteil werden ließen.

Mit dem Vertrag vom 16. April 1922 sicherte sich die Sowjetunion die de-jure-Anerkennung durch Deutschland in Verbindung mit dem wechselseitigen Verzicht auf finanzielle Ansprüche und mit der Zubilligung der Meistbegünstigung. Die diplomatischen Beziehungen zur Weimarer Republik stellte sie am 23. Juli 1923 her.

Von diesem Zeitpunkt an bis zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen am 22. Juni 1941 unterhielt die Sowjetunion nicht nur normale diplomatische und Wirtschaftsbeziehungen zu Deutschland, sondern assistierte auch beim Aufbau einer neuen deutschen Kriegsmaschinerie. Wie aus den amtlichen Akten der Weimarer Republik hervorgeht, bot die Sowjetunion in der Zeit von 1922 bis 1934 Deutschland durch die Ausbildung deutscher Flugzeug- und Panzerbesatzungen in Sonderlehrgängen auf sowjetischem Boden sowie durch die Belieferung Deutschlands mit Munition, Flugzeugmotoren und Giftgas die Möglichkeit, die Abrüstungsbestimmungen des Versailler Vertrags insgeheim zu verletzen.

Am 24. April 1926 unterzeichnete die Sowjetunion einen Neutralitätsvertrag mit Deutschland, der jeden Partner für den Fall, daß der andere angegriffen würde, zur Neutralität verpflichtete. Beide Staaten gaben einander die Zusicherung, daß sie bei einem Angriff gegen den anderen Partner weder einer gegen diesen gerichteten Koalition beitreten, noch sich an wirtschaftlichen Sanktionen beteiligen würden, falls solche vom Völkerbund verhängt werden sollten. Dieser Neutralitätsvertrag wurde am 24. Juni 1931 verlängert, und seine Verlängerung wurde nach der Machtergreifung Hitlers am 5. Mai 1933 ratifiziert.

Obwohl die UdSSR ihre Haltung nach der Unterdrückung der Kommunistischen Partei Deutschlands durch Hitler modifizierte, tat dies der auf breiter Basis durchgeführten deutsch-sowjetischen Zusammenarbeit auf wirtschaftlichem Gebiet keinen Abbruch. Diese Abkühlung ging Hand in Hand mit einer vorübergehenden Verbesserung der Beziehungen zwischen der UdSSR und den demokratischen Ländern. Die UdSSR wurde 1934 in den Völkerbund aufgenommen und schloß 1935 mit Frankreich einen Beistandspakt.

Angesichts der ernüchternden Ergebnisse der Münchner Konferenz von 1938 waren die französische und die britische Regierung in der Folgezeit bestrebt, dem deutschen Drang nach Osten einen Riegel vorzuschieben. Sie garantierten Anfang 1939 die Unantastbarkeit Polens und Rumäniens. Im April 1939 ergriffen Großbritannien und Frankreich die Initiative zu Verhandlungen mit der UdSSR, die bis in den Sommer hinein fortdauerten.

Diese Verhandlungen der Westmächte mit der UdSSR wurden abgewürgt durch die Unterzeichnung der Molotow-Ribbentrop-Abkommen vom 23. August 1939, die den sowjetisch-deutschen Neutralitätsvertrag von 1926 durch einen Nichtangriffspakt mit zehnjähriger Laufzeit ersetzten. Die neuen Abkommen enthielten die erforderlichen Garantien für eine koordinierte deutsch-sowjetische Aggression in Osteuropa. Die unmittelbaren Leidtragenden waren Finnland, Polen, Rumänien und die Baltenstaaten.

Der deutsche Überfall auf Polen erfolgte acht Tage nach der Unterzeichnung des Nazi-Sowjetpakts. Großbritannien und Frankreich erklärten Deutschland am 3. September 1939 in Erfüllung ihrer Verpflichtungen gegenüber Polen den Krieg. Die UdSSR besetzte indessen am 17. September 1939 große polnische Landesteile. Am

16. September 1939 hatte die Sowjetunion in einer Note an die polnische Regierung erklärt:

Der polnisch-deutsche Krieg hat den inneren Bankrott des polnischen Staates enthüllt. Die polnische Regierung ist zusammengebrochen und zeigt kein Lebenszeichen mehr. Das bedeutet, daß der polnische Staat und seine Regierung praktisch aufgehört haben zu bestehen.

Die zwischen der UdSSR und Polen geschlossenen Verträge haben daher ebenfalls aufgehört zu bestehen. Seinem Schicksal überlassen und führerlos, ist Polen zum Nährboden für Zufälligkeiten und Überraschungen geworden, die eine Gefährdung der UdSSR hervorrufen könnten.

Am 31. Oktober 1939 faßte Molotow die sowjetische Beurteilung der internationalen Lage in ungewöhnlich offenherziger Weise zusammen. Er sagte:

Doch ein schneller Schlag gegen Polen, zuerst durch die deutsche und dann durch die Rote Armee, und nichts blieb übrig von diesem Wechselbalg des Versailler Vertrages, dessen Existenz auf der Unterdrückung nichtpolnischer Minderheiten beruhte.

In den letzten Monaten haben Begriffe wie „Aggressor“ und Aggression“ einen neuen konkreten Inhalt, eine neue Bedeutung bekommen. Es ist unschwer einzusehen, daß wir diese Begriffe nicht mehr in demselben Sinne wie bis vor etwa drei oder vier Monaten anwenden können.

Heute befindet sich, was die europäischen Großmächte betrifft, Deutschland in der Position eines Staates, der die baldmöglichste Beendigung des Krieges und den Frieden anstrebt, während Großbritannien und Frankreich, die gestern noch über die Aggression zeterten, heute für die Fortsetzung des Krieges und gegen den Friedensschluß sind. Wie man sieht, ist ein Rollenwechsel im Gange.

Die Bemühungen der britischen und der französischen Regierung, ihre neue Position mit dem Hinweis auf ihre den Polen gemachten Zusagen zu rechtfertigen, sind selbstverständlich bare Spiegelfechterei. Jedermann sieht ein, daß eine Wiederherstellung des alten Polen nicht in Frage kommt . . . Der wahre Beweggrund des anglo-französischen Krieges gegen Deutschland ist nicht, daß die Briten und Franzosen die Wiederherstellung des alten Polen gelobt und natürlich auch nicht, daß sie beschlossen haben, für die Demokratie in den Kampf zu ziehen. Die herrschenden Kreise Englands und Frankreichs haben natürlich andere und naheliegendere Motive, um gegen Deutschland zum Kriege anzutreten.

Diese Motive wurzeln nicht in einer Ideologie, sondern in ihren durch und durch materiellen Interessen, die sie als große Kolonialmächte haben.

Die Angst vor dem Verlust ihrer Vormachtstellung in der Welt ist es, die den herrschenden Kreisen Großbritanniens und Frankreichs die Politik der Anfachung des Krieges gegen Deutschland diktiert. Somit ist der imperialistische Charakter dieses Krieges für jeden offenkundig, der sich an die Realitäten halten will und nicht die Augen vor den Tatsachen verschließt.

Für einen derartigen Krieg gibt es jedoch keinerlei Rechtfertigung. Man kann die Ideologie des Hitlerismus billigen oder ablehnen genau wie jedes andere ideologische System; aber das ist eine Frage der politischen Anschauungen.

Die Beziehungen zwischen Deutschland und den anderen bürgerlichen Staaten Westeuropas waren in den letzten zwei Jahrzehnten In erster Linie von dem flemühen Deutschlands bestimmt, die Ketten des Versailler Vertrages zu zerbrechen, dessen Urheber Großbritannien und Frankreich unter aktiver Mitwirkung der vereinigten Staaten waren. Daraus hat sich letzten Endes der jetzige Krieg in Europa entwickelt.

Am 28. September 1939 schloß das Deutsche Reich eine Reihe von Verträgen mit der UdSSR, wobei in Geheimprotokollen die Teilung Polens formell geregelt und Litauen im Austausch für eine „Grenzberichtigung“ zugunsten Deutschlands der sowjetischen Einflußsphäre zugeteilt wurde.

In einer Stellungnahme zum Fortgang des Krieges erklärte Molotow am 29. März 1940:

Deutschland . . . ist offensichtlich zu einem gefährlichen Konkurrenten für die stärksten imperialistischen Mächte Europas geworden — für Großbritannien und Frankreich. Sie haben deshalb unter dem Vorwande der Erfüllung ihrer Verpflichtungen gegenüber Polen Deutschland den Krieg erklärt. Es liegt heute klarer denn je zu Tage, wie weit die wirklichen Ziele der Regierungen dieser Mächte von der Absicht entfernt sind, das zerfallene Polen oder die Tschechoslowakei zu verteidigen. Dieser Krieg wird geführt, um Deutschland zu schlagen und zu zerstückeln, obwohl man dieses Ziel gegenüber den Volksmassen mit den Losungen von der Verteidigung der „Demokratien“ und der „Rechte“ der kleinen Völker bemäntelt.

Da die Sowjetunion es ablehnte, England und Frankreich Handlangerdienste bei dieser imperialistischen Politik gegenüber Deutschland zu leisten, hat sich ihre Feindseligkeit gegen die Sowjetunion noch weiter verschärft.. In der Tat sind die Rechte und Interessen der kleinen Länder lediglich Wechselgeld in den Händen der Imperialisten.

Die UdSSR fiel im Dezember 1939 über Finnland her. Im Juni 1940 folgten sowjetische Maßnahmen gegen Litauen, Lettland und Estland. Bessarabien und die Nordbukowina wurden in demselben Monat Rumänien entrissen.

Die Sowjetunion schloß auch eine ganze Reihe von Wirtschaftsabkommen mit Deutschland. Zwischen 1922 und 1933 unterzeichneten die Sowjetunion und Deutschland sechs Kredit- und Handelsabkommen, während die Sowjetunion in der Zeit von 1933 bis 1941, als Hitler seine Kriegsvorbereitungen vorantrieb bzw. schon eine aktive Aggressionspolitik durchführte, nochmals zwölf Kredit- und Handelsabkommen mit dem Naziregime einging.

Über diese Handelsabkommen mit Deutschland sagte Molotow am 31. Mai 1939:

Während wir einerseits mit England und Frankreich verhandeln, halten wir es andererseits keineswegs für notwendig, auf Geschäftsbeziehungen mit Ländern wie Deutschland und Italien zu verzichten.

Die eigene Schrittmacherrolle beim Aufstiege Hitlers ignorierend, beschuldigt die Sowjetregierung jetzt die Vereinigten Staaten, ihn protegiert zu haben. Im russischen „Enzyklopädischen Wörterbuch“, Band 3 (1955), heißt es:

Die Imperialisten der Vereinigten Staaten begünstigten die Hitleristen bei der Machtergreifung in Deutschland (1933) und leisteten der deutsch-italienischen Intervention gegen die Spanische Republik (1936-1939), der italienischen Aggression gegen Äthiopien (1935-1936) und der Einverleibung Österreichs durch Hitlerdeutschland (1938) Vorschub. Sie wirkten beim Abschluß des schändlichen Münchner Abkommens (1938) mit und ermutigten Japan zur Aggression in China. Die Vereinigten Staaten betrieben eine Politik der Einwilligung in die faschistische Aggression mit der Absicht, diese auf die UdSSR zu lenken. Die Politik der Vereinigten Staaten trug zur Entfesselung des zweiten Weltkrieges von 1939 bis 1945 bei. (Seiten 254 bis 255)

Diese Darstellung ist das genaue Gegenteil der Auffassung, die die Sowjetunion zur Zeit der Geschehnisse selbst vertrat. In der „Kleinen Sowjetenzyklopädie“ von 1941, Band 9, heißt es:

Von Anfang an bezog Roosevelt eine eindeutig ablehnende Haltung gegenüber Hitlerdeutschland und anderen faschistischen Mächten. (Seite 240) Von Anbeginn des Krieges in Europa (September 1939) erklärten die Vereinigten Staaten offiziell ihre Neutralität, doch weigerte sich die Regierung, die deutsche Aggression in Europa sowie die japanische Aggression in China als gegeben hinzunehmen. (Seite 901)

Die Darstellung des „Enzyklopädischen Wörterbuchs“ steht auch in diametralem Gegensatz zu den Ausführungen Alexander A. Trojanowskijs, des ersten Sowjetbotschafters in den USA (1934—1939), in seinem Buch „Weshalb die Vereinigten Staaten gegen Hitlerdeutschland Krieg führen“, erschienen 1942 in Moskau:

Die Vorstellung eines internationalen Kampfes gegen die Aggression war den Vereinigten Staaten nicht fremd. Der amerikanische Außenminister Stimson versuchte, ein kollektives Vorgehen gegen die Aggression im Zusammenhang mit den fernöstlichen Ereignissen von 1931-1932 zustande zu bringen . . . Präsident Roosevelt versäumte keine Gelegenheit, um für den Frieden einzutreten und gegen Gewaltanwendung in den internationalen Beziehungen Stellung zu beziehen. Einen Tag vor dem Abschluß des Münchner Abkommens vom 29. September 1938, das zu einer gewaltsamen Aufspaltung der Tschechoslowakei führte, regte der Präsident

der Vereinigten Staaten in einer Botschaft an die Regierung der UdSSR an, unser friedliebendes Land möge bei den faschistischen Aggressoren seinen Einfluß geltend machen und sie zum Verzicht auf ihre [Politik der] „Gewaltanwendung“ gegenüber der Tschechoslowakei veranlassen. (Seiten 56-57)

Die Zusammenarbeit zwischen Sowjets und Nazis geriet erst gegen Ende des Jahres 1940 ernstlich ins Stocken, als die Sowjets das deutsche Ansinnen, die Sowjetunion möge ihre Expansion nur in südlicher Richtung zum Indischen Ozean forcieren, zurückwiesen und vergeblich versuchten, die Deutschen zur Anerkennung der sowjetischen Hegemonieansprüche auf Finnland und Bulgarien und des Wunsches nach sowjetischen Stützpunkten an den türkischen Meerengen und im Gebiet südlich von Batum und Baku (im Mittleren Osten) zu bewegen. Aber trotz der bei diesen Verhandlungen in Erscheinung getretenen deutsch-sowjetischen Differenzen schloß die UdSSR im Januar 1941 erneut ein Wirtschaftsabkommen mit Deutschland, das eine weitere Steigerung der kriegswichtigen sowjetischen Rohstoffexporte nach Deutschland vorsah. Die Sowjetunion äußerte ihre Anerkennung für die nazideutsche Aggression durch den Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Jugoslawien im Jahre 1941, und sie brach, nachdem diese Länder von den Deutschen besetzt waren, auch die Beziehungen zu Griechenland, Norwegen und Belgien ab.

Im Gegensatz dazu stellten die USA und Großbritannien ihre Haltung gegenüber der Naziaggression klar, indem sie in ein Geschäftsverhältnis zu den Freien Franzosen traten und diplomatische Beziehungen zu den Exilregierungen anderer besetzter Länder unterhielten.

Im März 1941 unterrichteten die Vereinigten Staaten die UdSSR zweimal davon, daß Nazideutschland — ihren zuverlässigen Informationen zufolge — einen Angriff auf die Sowjetunion plane, und Premierminister Churchill ließ Stalin gegen Ende April eine gleichartige Warnung zukommen. Die UdSSR hatte jedoch damals gerade Hitler einen weiteren Solidaritätsbeweis gegeben, indem sie am 13. April 1941 einen Neutralitätsvertrag mit dem japanischen Partner der Achse Berlin-Rom-Tokio unterzeichnete und damit den Weg nach Pearl Harbor freimachte.

Erst als Hitler seinen sowjetischen Bundesgenossen im Juni 1941 angriff, bemühte sich die UdSSR um Zusammenarbeit mit dem Westen beim Widerstande gegen Nazideutschland. Ungeachtet der jahrelangen sowjetischen Kollaboration mit Hitler gingen die Westmächte unverzüglich auf die sowjetischen Beistandsgesuche ein. Schon einen Tag nach dem deutschen Überfall auf die UdSSR erklärte der amtierende Außenminister der Vereinigten Staaten öffentlich: „Jede Gegenwehr gegen den Hitlerismus, jede Sammlung der Kräfte des Widerstands gegen Hitler, gleichviel aus welcher Quelle diese Kräfte ge

Die sowjetischen Behauptungen:

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speist werden, wird den schließlichen Sturz der gegenwärtigen deutschen Führung beschleunigen und deshalb auch unserer eigenen Verteidigung und Sicherheit zugute kommen.“ Keine sechs Monate später befanden sich die Vereinigten Staaten als Verbündete der Sowjetunion im Kampfe gegen Deutschland.

Über ihren eigenen direkten Beitrag zur Niederringung der Achsenmächte hinaus versorgten die Länder des Westens die UdSSR mit lebenswichtigem Kriegsmaterial in beträchtlichen Mengen. Trotz der von deutschen Unterseebooten verursachten Verluste gelangten große Lieferungen an Flugzeugen, Panzern und Munition nach der UdSSR. In einem der seltenen Fälle lobender Erwähnung ihrer Kriegsverbündeten gab die Sowjetregierung am 10. bzw. 11. Juni 1944 über Radio Moskau sowie in maßgeblichen sowjetischen Zeitungen bekannt, sie habe in der Zeit vom 1. Oktober 1941 bis zum 30. April 1944 unter anderem folgende Lieferungen von den USA, Großbritannien und Kanada erhalten:

12056 Flugzeuge von den USA und Großbritannien

8 026 Panzerwagen von den USA und Großbritannien
116 Schiffseinheiten
37 407 Last- und Militärkraftwagen
17 017 Motorräder von Großbritannien
22 400 000 Schuß Artilleriemunition
87 900 t Schießpulver
245 000 Telephonapparate.

II. Der zweite Weltkrieg und die Nachkriegsentwicklung

In der sowjetischen Note heißt es, die Westalliierten hätten im zweiten Weltkrieg eine „gemeinsame, allseitig abgestimmte Politik“ gegenüber Deutschland betrieben. Sie führt aus, nach dem Kriege wäre eine friedliche Koexistenz möglich gewesen, falls man diese Politik in der von Präsident Roosevelt begonnenen Form weitergeführt hätte. Statt dessen wurde, der sowjetischen Note zufolge, die Atmosphäre durch Winston Churchill und andere Politiker vergiftet, die einen gegen die UdSSR gerichteten aggressiven Kurs steuerten. Die Note besagt:

Das ist die Misere, in die die einstmals gemeinsame, allseitig abgestimmte Deutschlandpolitik der vier Mächte -~ der UdSSR, der USA, Großbritanniens und Frankreichs — 13 Jahre nach dem Kriege geraten ist.

Die Politik der Westmächte wurde jedoch in zunehmendem Maße durch Kräfte beeinflußt, die von dem Haß gegen sozialistische und kommunistische Ideen besessen waren, aber ihre feindseligen Absichten gegen die Sowjetunion während des Krieges verheimlicht hatten. Die Folge war, daß der Westen einen Kurs der äußersten Verschärfung des ideologischen Kampfes einschlug, allen voran aggressive Führer und Gegner einer friedlichen Koexistenz zwischen den Staaten. Das Signal hierzu wurde den Vereinigten Staaten und anderen Ländern des Westens durch W. Churchill in seiner berüchtigten Fulton-Rede im März 1946 gegeben.

Die Sowjetregierung bedauert es sehr, daß die Ereignisse einen solchen Verlauf nahmen, da dies der Sache des Friedens schadet und dem natürlichen Wunsch der Völker nach friedlicher Koexistenz und freundschaftlicher Zusammenarbeit zuwiderläuft. Denn es gab eine Zeit, da die führenden Politiker der Vereinigten Staaten und Großbritanniens, insbesondere der hervorragende amerikanische Staatsmann Franklin D. Roosevelt, im Einklang mit den Gefühlen der Volksmassen die Notwendigkeit der Schaffung eines Systems wechselseitiger Beziehungen zwischen den Staaten proklamierten, das so beschaffen sein sollte, daß die Staaten sich sicher fühlen und die Menschen allenthalben ein Leben ohne Furcht führen könnten.

Dies sind die Tatsachen:

1. In Vereinbarungen, die während des Krieges getroffen wurden, legten die Alliierten zwei Hauptziele ihrer Politik fest: sie gelobten, den Gegner niederzuringen, und sie erklärten, daß sie unter Beibehaltung der im Krieg geübten Zusammenarbeit nachdrücklich auf eine Beseitigung der Kriegsschäden hinarbeiten würden.

2. Die Niederringung des Gegners erforderte große Opfer.

3. Statt den Vereinbarungen aus der Kriegszeit nachzukommen, ging die UdSSR daran, ihre eigenen Pläne für die Ausbreitung des Kommunismus in Osteuropa zu verwirklichen, und sie unterband oder verzögerte nach Möglichkeit alle Maßnahmen der Westmächte, die den wirtschaftlichen Wiederaufbau in Deutschland und im übrigen Europa beschleunigen sollten.

4. Diese Handlungsweise der Sowjets, die ihre Versprechungen Lügen strafte, zerstörte das zunächst vorhandene Wohlwollen gegenüber der UdSSR und überzeugte die Regierungen der Westmächte von der Notwendigkeit, dem sowjetischen Expansionsdrang entgegenzutreten.

5. Stalin erklärte dem Westen 1946 den „kalten Krieg“, als er versicherte, das Kriegsbündnis mit dem Westen sei nur eine Notlösung gewesen. Er sagte voraus, daß es zu Kriegen zwischen kapitalistischen Staaten kommen werde und erklärte, die Kommunisten würden ihre Herrschaft über weitere Völker ausdehnen.

Während des Krieges war die Politik der alliierten Staaten gegenüber Deutschland darauf zugeschnitten, den Krieg erfolgreich zu Ende zu führen, den Frieden herzustellen und alsdann den Wiederaufbau einzuleiten.

1. Die Erklärung der Vereinten Nationen vom 1. Januar 1942 besagt: Die unterzeichneten Regierungen,

die sich einem gemeinsamen Programm von Zielsetzungen und Grundsätzen verschrieben haben, das in der Gemeinsamen Erklärung des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika und des Premierministers des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland vom 14. August 1941, als Atlantik-Charta bekannt, enthalten ist; und

die überzeugt sind, daß der vollständige Sieg über ihre Feinde zur Verteidigung von Leben, Freiheit, Unabhängigkeit und Religionsfreiheit und zur Wahrung der Menschenrechte und der Gerechtigkeit in ihren eigenen Ländern ebenso wie in anderen Ländern unerläßlich ist und daß sie

gegenwärtig im gemeinsamen Kampf gegen unerbittliche und brutale Mächte stehen, die die Welt zu unterjochen trachten,

erkären:

1. daß jede Regierung sich verpflichtet, ihre sämtlichen militärischen und wirtschaftlichen Mittel gegen jene Mitglieder des Dreimächtepaktes und deren Anhang einzusetzen, mit denen sich diese Regierung im Kriegszustand befindet;

2. daß jede Regierung sich verpflichtet, mit den hier unterfertigten Regierungen zusammenzuarbeiten und keinen getrennten Waffenstillstand oder Frieden mit den Gegnern zu schließen.

Der vorstehenden Erklärung können sich andere Staaten anschließen, dies gegenwärtig oder später konkrete Beihilfe oder Beiträge zum Kampf für den Sieg über den Hitlerismus leisten.

2. Das im Anschluß an die Moskauer Außenministerkonferenz veröffentlichte anglo-sowjetisch-amerikanische Kommuniqué vom 1. November 1943 führt aus:

Die übereinstimmende Auffassung der drei Regierungen, daß es in ihrem eigenen nationalen Interesse und im Interesse sämtlicher friedliebender Staaten liege, die derzeitige enge Zusammenarbeit und das Zusammengehen in der Führung des Krieges in der Zeit nach Beendigung der Feindseligkeiten fortzusetzen, und daß nur auf diese Weise der Frieden aufrechterhalten und das Wohl ihrer Völker im politischen, wirtschaftlichen und sozialen Bereich am besten gefördert werden könne, rangierte in ihrer Bedeutung unmittelbar hinter der beschleunigten Beendigung des Krieges.

3. Das Abkommen über die Schaffung der Hufs- und Wiederaufbauverwaltung der Vereinten Nationen (UNRRA), das am 9. November 1943 unterzeichnet wurde, besagt in Artikel 1, Absatz 2:

Unter Berücksichtigung von Artikel VII hat die Verwaltung folgende Zielsetzungen und Funktionen:

a) Hilfsmaßnahmen für Opfer des Krieges, wie die Versorgung mit Nahrungsmitteln, Brennstoffen, Bekleidung, Wohnraum und anderen lebensnotwendigen Dinge sowie die ärztliche Betreuung und die Bereitstellung anderer notwendiger Dienste in sämtlichen Gebieten, die der Kontrolle irgendeiner der Vereinten Nationen unterstehen, zu planen, zu koordinieren, durchzuführen oder ihre Durchführung zu veranlassen; die Produktion und den Transport von hierfür erforderlichen Gütern und die Bereitstellung derartiger Dienste in diesen Gebieten in dem Umfange zu ermöglichen, der für eine angemessene Hilfeleistung erforderlich ist. Die Art der Tätigkeit der Verwaltung innerhalb des Territoriums eines Mitgliedstaates, in dem dessen Regierung die Regierungsgewalt ausübt, und die Verantwortung der Mitgliedregierung für die Durchführung der von der Verwaltung in diesem Gebiet geplanten Maßnahmen wird nach Konsultation der Mitgliedregierung und mit deren Zustimmung geregelt.

4. Auf der Krim- (oder Jalta-) Konferenz zwischen Großbritannien, der UdSSR und den Vereinigten Staaten vom 4. bis 11. Februar 1945 wurde in der „Erklärung über das befreite Europa“ in zuversichtlichen Worten erklärt:

Zur Schaffung von Bedingungen, unter denen die befreiten Völker diese Rechte ausüben können, werden die drei Regierungen, wo immer es die Umstände ihrer Ansicht nach erfordern, die Völker der befreiten europäischen Staaten oder der früheren europäischen Vasallenstaaten der Achse gemeinsam in folgendem unterstützen:

a) bei der Wiederherstellung von Friedensverhältnissen;

b) bei der Durchführung von Notmaßnahmen zwecks Unterstützung Hilfsbedürftiger;

c) bei der Schaffung vorläufiger Regierungsgewalten, die eine umfassende Vertretung aller demokratischen Elemente der Bevölkerung darstellen und die zur baldestmöglichen Errichtung von dem Volkswillen entsprechenden Regierungen auf dem Wege freier Wahlen verpflichtet sind; und

d) nötigenfalls bei der Durchführung solcher Wahlen.

Diese Vereinbarungen zeigen, daß sich die Kriegsverbündeten einschließlich der UdSSR auf grundlegende Richtlinien festgelegt hatten, die ihr Verhalten nach dem Kriege bestimmen sollten, nämlich auf die Schaffung einer gerechten und stabilen Weltordnung, die Unterstützung von Hilfsbedürftigen und den Wiederaufbau der vom Krieg zerstörten Gebiete.

Die Sowjetunion weigerte sich jedoch, spezifischen Vorschlägen zur Durchführung der Vereinbarungen nachzukommen, und ging dazu über, im gesamten sowjetisch besetzten Osteuropa ihre eigenen Pläne zu verwirklichen. Statt beispielsweise mit den westlichen Verbündeten im Alliierten Kontrollrat (der höchsten alliierten Körperschaft in Deutschland) in dem Bemühen zusammenzuarbeiten, den zur Gewährleistung des Fortbestandes und der künftigen Wiedergenesung des deutschen Volkes erforderlichen wirtschaftlichen Mindeststandard sicherzustellen, verzögerte und umging die UdSSR Entscheidungen und verließ schließlich im März 1948 den Alliierten Kontrollrat gänzlich.

Auf den Außenministerkonferenzen nach dem Krieg legte die Sowjetunion den Hauptakzent auf Verfahrensfragen wie die Reihenfolge der Punkte der Tagesordnung und blockierte die Vorschläge des Westens, während gleichzeitig in Moskau ausgebildete Kommunisten mit der sowjetischen Armee im Rücken in Rumänien, Bulgarien, Ungarn, Albanien, in der Tschechoslowakei, in Polen und Ostdeutschland die Macht an sich rissen. Im Jahre 1947 weigerte sich die Sowjetunion in Moskau, elementare Informationen über ihre Besatzungszone in Deutschland bekanntzugeben, was den später als richtig erwiesenen Verdacht aufkommen ließ, daß aus großen Gebieten praktisch alles, was nicht niet- und nagelfest war, nach der UdSSR geschafft wurde. Diese Tatsachen erleichtern das Verständnis für die mangelnde Bereitwilligkeit der Sowjetbehörden, an der Schaffung einer ausgewogenen Wirtschaft in Deutschland, auf die man sich in Potsdam geeinigt hatte, mitzuwirken. Dies war ein äußerst ernster Rückschlag für den Aufbau in Europa und die Entwicklung einer wenn auch auf ein Mindestmaß beschränkten selbstgenügsamen Wirtschaft in Deutschland.

Das Schicksal der osteuropäischen Länder, die unter dem Druck der auf ihrem Gebiet oder in ihrer Nachbarschaft stationierten sowjetischen Streitkräfte zu Satellitenstaaten wurden, zeigt die Diskrepanz zwischen den Zusagen der Sowjetunion von Jalta und ihren späteren Handlungen.

Die Vereinigten Staaten konnten nicht umhin, dieses sowjetische Verhalten trotz aller gegenteiligen Versprechungen und Erklärungen als Zeichen der tatsächlichen Politik der UdSSR zu deuten. Die sowjetische Mißachtung feierlicher Abkommen und anerkannter Grundsätze erstickte das Wohlwollen, das das amerikanische Volk für die UdSSR empfunden hatte, und überzeugte sämtliche Regierungen im Westen von der Notwendigkeit, Verteidigungsvorkehrungen gegen die Bedrohung durch weitere sowjetische Expansionsversuche zu treffen.

Stalin erklärte in seiner Moskauer Rede vom 9. Februar 1946 den „kalten Krieg“ und legte die kommunistische Nachkriegslinie fest. In dieser Rede machte Stalin vor aller Welt klar, daß das im Kriege eingegangene Bündnis mit den Westmächten eine Notlösung gewesen und nicht als Hinweis darauf zu werten sei, daß die Zusammenarbeit zwischen der Sowjetunion und ihren einstigen Verbündeten fortbestünde oder fortgesetzt werde.

Er rief seinen Zuhörern ins Gedächtnis, daß nach der kommunistischen Doktrin Kriege so lange unvermeidbar seien, bis die kommunistischen Parteien in den kapitalistischen Ländern die Macht errungen hätten, und er umriß die wirtschaftlichen Pläne, nach denen die Sowjetunion die Voraussetzungen für die Führung des „unvermeidbaren“ künftigen Krieges schaffen müsse.

Er brüstete sich mit der Macht des Sowjetstaates und seinen Leistungen während des Krieges und setzte die Welt davon in Kenntnis, daß die Sowjetunion nicht auf den Lorbeeren des zweiten Weltkrieges auszuruhen gedenke. Seine Forderung nach Anerkennung der These, daß „die sowjetische Sozialordnung als Organisations- und Gesellschaftsform jeder nichtsowjetischen Sozialordnung überlegen ist“, verhallte bei den nichtsowjetischen Völkern außerhalb des sowjetischen Machtbereichs nicht ungehört. Sie erblickten darin vielmehr die Erneuerung des kommunistischen Aufrufs an alle Mitglieder der kommunistischen Parteien zum letzten Einsatz für das Ziel, die Herrschaft über alle Völker der Erde zu erringen.


III. Die Nachkriegsbeziehungen zu Deutschland

Die sowjetischen Behauptungen:

In der sowjetischen Note werden die westlichen Alliierten der Verletzung der politischen und wirtschaftlichen Bestimmungen der interalliierten Vereinbarungen, insbesondere des Potsdamer Abkommens bezichtigt. Es wird behauptet, daß diese Verletzungen Teil der „Verschärfung des ideologischen Kampfes“ durch den Westen und seiner „Kriegsvorbereitungen“ seien. Die Westalliierten hätten, wie es in der Note heißt, aktiv darauf hingearbeitet, die friedliche Wiedervereinigung Deutschlands zu verhindern, und die führenden Männer in Westdeutschland seien Militaristen, die Pläne zu einer gewaltsamen Wiedervereinigung Deutschlands schmiedeten.

Die Note führt ferner aus, Ostdeutschland werde nach einer Verfassung regiert, die „den besten fortschrittlichen Traditionen des deutschen Volkes“ entspreche, und habe große „demokratische und soziale Errungenschaften“ aufzuweisen. Die Westmächte, so heißt es weiter, hätten ihre Anwesenheit in Westberlin dazu benutzt, eine gegen Rußland und die Satellitenstaaten gerichtete „Wühlarbeit“ zu entfalten, während die Viermächte-Vereinbarung bezüglich Berlin von der Sowjetunion „gewissenhaft eingehalten“ worden sei.

In der Note wird behauptet, daß sich die Sowjetunion die gesamte Nachkriegszeit hindurch trotz der Zuspitzung der Lage und trotz der Kriegsvorbereitungen des Westens unbeirrt für die Politik der „friedlichen Koexistenz“, der „Nichteinmischung“ in die Angelegenheiten anderer Staaten und der „Achtung vor der Souveränität und territorialen Integrität“ anderer Länder eingesetzt habe. Die Note besagt:

Die Teilnehmer an der Potsdamer Konferenz drückten ihre Entschlossenheit aus, jedwede faschistische oder militaristische Tätigkeit oder Propaganda zu unterbinden. Sie verpflichteten sich ferner, sämtliche demokratischen Parteien in Deutschland zuzulassen und zu fördern.

Das Potsdamer Abkommen enthielt wichtige Bestimmungen, denenzufolge Deutschland als eine Wirtschaftseinheit selbst während der Besatzungszeit angesehen werden sollte. Die Übereinkunft sah ferner die Schaffung zentraler deutscher Verwaltungsabteilungen vor.

Die Politik der USA, Großbritanniens und Frankreichs gegenüber Westdeutschland hat zur Verletzung der Bestimmungen des Potsdamer Abkommens geführt, die die Einheit Deutschlands als friedliebender und demokratischer Staat sicherstellen sollten. Und als in Westdeutschland, das von den Truppen der drei Mächte besetzt war, ein separater Staat — die Bundesrepublik Deutschland — errichtet wurde, blieb Ostdeutschland, wo Kräfte die Führung erlangt hatten, die entschlossen sind, das deutsche Volk davor zu bewahren, wieder in eine Katastrophe gestürzt zu werden, keine andere Wahl, als seinerseits einen unabhängigen Staat zu schaffen.

Die staatlichen und öffentlichen Angelegenheiten in der Deutschen Demokratischen Republik werden durch eine Verfassung geregelt, die im vollen Einklang mit den Grundsätzen des Potsdamer Abkommens und den besten fortschrittlichen Traditionen der Deutschen Nation steht.

Die Sowjetunion setzt sich für völlige Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten des deutschen Volkes wie auch jedes anderen Volkes ein.

Die Sowjetunion unterstützt wie andere Länder, die an einer Festigung des Friedens in Europa interessiert sind, die Vorschläge der Deutschen Demokratischen Republik für eine friedliche Wiedervereinigung Deutschlands. Die Regierung der UdSSR bedauert, daß die Bemühungen in dieser Richtung bisher keinerlei positive Ergebnisse erbracht haben, weil sich die Regierungen der Vereinigten Staaten und anderer NATO-Mitglieder und vor allem die Regierung der Bundesrepublik Deutschland tatsächlich nicht um den Abschluß eines Friedensvertrages oder die Wiedervereinigung Deutschlands bekümmern.

Faktisch wird heute von allen alliierten Abkommen über Deutschland nur ein einziges eingehalten: das Abkommen über den sogenannten Viermächtestatus Berlins. Auf der Grundlage dieses Status beherrschen die drei Westmächte Westberlin nach Belieben, verwandeln die Stadt zu einem Staat im Staate und benutzen sie als Zentrale für ihre Wühlarbeit gegen die DDR, die Sowjetunion und die anderen Staaten des Warschauer Paktes. Die Vereinigten Staaten, Großbritannien und Frankreich haben unbehinderte Verbindung mit Westberlin über Verkehrswege, die durch das Territorium und den Luftraum der Deutschen Demokratischen Republik führen, welche sie nicht einmal anerkennen wollen.

Den Regierungen der drei Mächte ist es darum zu tun, die seit langem überholten Teile der im Kriege abgeschlossenen Abkommen aufrechtzuerhalten, die die Besetzung Deutschlands regelten und ihnen in der Vergangenheit das Recht zur Anwesenheit in Berlin einräumten. Gleichzeitig haben die Westmächte, wie dargelegt, die Viermächte-Vereinbarungen gröblich verletzt, einschließlich des Potsdamer Abkommens, das der konzentrierteste Ausdruck der Verpflichtungen der Mächte im Hinblick auf Deutschland ist.

Der Viermächtestatus Berlins kam dadurch zustande, daß Berlin als die Hauptstadt Deutschlands zum Sitz des Kontrollrates bestimmt wurde, der für die Verwaltung Deutschlands während der Anfangszeit der Besatzung errichtet wurde. Dieser Status ist von der Sowjetunion bis auf den heutigen Tag gewissenhaft eingehalten worden, obwohl der Kontrollrat bereits vor zehn Jahren zu bestehen aufgehört hat und obwohl es in Deutschland seit langem zwei Hauptstädte gibt. Was die USA, Großbritannien und Frankreich betrifft, so haben diese es vorgezogen, ihre

Besatzungsrechte in Berlin in flagranter Weise zu mißbrauchen und den Viermächtestatus der Stadt für ihre eigenen Zwecke, zum Schaden der Sowjetunion, der Deutschen Demokratischen Republik und der anderen sozialistischen Länder auszunutzen.

Dies sind die Tatsachen:

1. Das erklärte Ziel der Nachkriegsabkommen zwischen den Alliierten über Deutschland war es, die Spuren des Dritten Reiches zu beseitigen, ein Wiederaufleben aggressiver Kräfte zu verhindern und einen Kurs vorzuzeichnen, auf dem Deutschland seine Selbstachtung wiedergewinnen und eine konstruktive Rolle im internationalen Leben übernehmen konnte.

2. Lange vor der Unterzeichnung des Potsdamer Protokolls, in dem diese Grundsätze im August 1945 niedergelegt worden sind, begann die UdSSR ihre Bemühungen, Deutschland zu einem sowjetischen Satelliten zu machen. Sie wählte bestimmte Personen aus, schulte und repatriierte sie, die später die politische und militärische Führung des ostdeutschen Regimes übernahmen.

3. Noch bevor die Westmächte ihre Sektoren in Berlin besetzten, hatte die sowjetische Armee bereits politische Parteien lizenziert und den bewährten kommunistischen Kontrollmethoden unterworfen, die heute noch in Ostdeutschland im Schwange sind.

4. Trotzdem handelten die Siegermächte das Potsdamer Protokoll aus, das sowohl negative Zielsetzungen (Entmilitarisierung, Entnazifizierung und Reparationen), als auch positive aufwies (gewählte Regionalregierungen, einheitliche Verwaltung, demokratische Rechte für alle Bürger, gleichmäßige wirtschaftliche Behandlung und schließlich einen Friedensvertrag zwecks Beendigung des Kriegszustandes). Die UdSSR weigerte sich, nach diesen positiven Grundsätzen zu verfahren.

5. Die Vereinigten Staaten waren nicht gewillt, Deutschland zu einem sowjetischen Satelliten werden zu lassen. Sie forderten dringend einen wirtschaftlichen Wiederaufbau in ganz Europa.

6. Die UdSSR wich einem amerikanischen Vorschlag für den Abschluß eines Nichtangriffspaktes für die Dauer von 40 Jahren aus, der eine Garantie gegenüber der Wiederholung einer deutschen militärischen Aggression bieten sollte. Die Sowjets widersetzten sich dem wirtschaftlichen Aufbau Europas. Sie verließen den aus den vier Mächten gebildeten Kontrollrat für Deutschland und verhängten im Jahre 1948 die Berliner Blockade, mit der sie die westlichen Verbündeten aus der Stadt zu vertreiben versuchten.

7. In Berlin erzwangen die Sowjets die Aufspaltung der Stadt, um dann in Ostberlin einen Rumpfmagistrat einzusetzen, den sie dem rechtmäßig gewählten Magistrat der Stadt entgegenstellten.

8. Obwohl sich die Sowjets der Zusammenarbeit verschlossen, setzten die Westmächte die Durchführung des Potsdamer Protokolls in ihren eigenen Zonen in Westdeutschland fort. Nach der Abhaltung freier Wahlen und der Annahme eines von der Bevölkerung gebilligten Grundgesetzes wurde die Bundesrepublik gegründet.

9. Die Sowjets proklamierten die sogenannte Deutsche Demokratische Republik im Jahre 1949. Freie Wahlen sind niemals abgehalten worden.

10. Die Kommunisten verhindern nach wie vor einen freien Informationsaustausch und setzen die Kontrolle des Personenverkehrs in Ostdeutschland und zwischen Ost- und Westdeutschland fort. Sie begründen dies damit, daß sie „faschistische Aggressionen“ und „Provokationen von außen“ durch „Spionagezentralen“, die sich in Westberlin befänden, verhindern müßten.

Das erklärte Ziel der Nachkriegsabkommen war es, eine bessere künftige Welt zu schaffen und den Frieden zu sichern. Für Deutschland bedeutete dies:

a) Beseitigung der Spuren des Dritten Reiches und Verhinderung des Wiederauflebens aggressiver Kräfte,

b) Festlegung eines Kurses, mit dem Deutschland seine Selbstachtung wiedergewinnen und eine konstruktive Rolle im internationalen Leben übernehmen konnte.

Schon vor Unterzeichnung des Potsdamer XXXXXX UdSSR darangegangen, Deutschland in einen XXXXXX union zu verwandeln. Gruppen deutscher während des ganzen Krieges in der UdSSR künftigen Führer — Wilhelm Pieck, Walter

Lothar Bolz und andere — arbeiteten eng mit der Komintern und der sowjetischen Armee zusammen, während sie das Vorrücken der sowjetischen Streitkräfte nach Deutschland abwarteten. Diese Männer stehen an der Spitze des ostdeutschen Regimes seit seiner Gründung im Jahre 1949, und zwischen 1945 und 1949 gehörten sie zu den führenden Funktionären, die unter der sowjetischen Besatzungsmacht in Ostdeutschland wirkten.

Das „Nationalkomitee Freies Deutschland“, eine von den Sowjets organisierte Vereinigung gefangener deutscher Offiziere und Soldaten, wurde am 7. Juli 1943 in der Absicht gegründet, deutsche Kriegsgefangene in der UdSSR im kommunistischen Sinne politisch zu Abkommens war die Satelliten der Sowjet-Kommunisten wurden ausgebildet. Ihre zu Ulbricht, Karl Maron,

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schulen und unter den Militärs Zellen zu bilden, die die Basis für eine spätere deutsche Wiederbewaffnung unter sowjetischen Auspizien abgeben sollten. Zu den prominenten Absolventen der sogenannten „Antifa-Schule“ in Krasnogorsk, die später führende Posten in Ostdeutschland erhielten, gehörten u. a. Oberst Luitpold Steidle, der spätere Gesundheitsminister; Generalmajor Vincenz Müller, der spätere Generalleutnant und Stabschef der ostdeutschen Streitkräfte; Generalmajor Otto Korfes, später in führender politischer Stellung in der ostdeutschen „Nationalen Front“ verantwortlich für die Erfassung ehemaliger deutscher Wehrmachtsoffiziere; Major Egbert von Frankenberg und Proschlitz, heute militärischer Kommentator des ostdeutschen Rundfunks und führendes Mitglied der National-Demokratischen Partei, die 1948 auf Veranlassung der Sowjets als Partei der ehemaligen Soldaten und NSDAP-Mitglieder gegründet wurde; Generalleutnant Arno von Lenski, heute als Generalmajor der ostdeutschen Armee deren führender Panzerwaffen-Experte; der frühere Regimentskommandeur Bernhard Bechler, der jetzt stellvertretender Stabschef der ostdeutschen Streitkräfte ist; sowie Generalleutnant Hans Wulz, heute Generalmajor in der ostdeutschen Armee und Stadtkommandant von Ostberlin.

Für eine kurze Zeit, und zwar von Mai bis Juni 1945, war Berlin allein von der sowjetischen Armee besetzt. Am 10. Juni 1945, also drei Wochen vor dem Einrücken der ersten Amerikaner in Berlin, erteilten die sowjetischen Besatzungsbehörden vier politischen Parteien in der Stadt eine Lizenz, nämlich den Kommunisten, den Sozialdemokraten, der Christlich-Demokratischen Union und den Liberal-Demokraten. Am folgenden Tage wurden diese vier Parteien zum „Block der Antifaschistisch-Demokratischen Parteien“ zusammengeschlossen, einem sowjetischen Mittel, um die Führer und Programme dieser Parteien überwachen und ihre Handlungsfreiheit auf politische Aktionen beschränken zu können, die die Billigung der Kommunisten und der UdSSR besaßen.

Auf diese Weise waren Rahmen und Organisation für die sowjetische Deutschlandpolitik auf militärischem und politischem Gebiet bereits vorhanden, ehe noch die Siegermächte zusammenkommen konnten, um ihre Pläne zu diskutieren und die Verwirklichung der erklärten Grundsätze der Kriegskoalition abzusprechen. Dennoch trafen die Regierungschefs der UdSSR, des Vereinigten Königreiches und der Vereinigten Staaten vom 17. Juli bis 2. August 1945 zur Berliner (Potsdamer) Konferenz zusammen, um eine große Anzahl internationaler Probleme zu erörtern, einschließlich einer Reihe von Grundsätzen, die gegenüber Deutschland befolgt werden sollten, um die Kriegsziele der Alliierten zu realisieren.

In dem vom 1. August 1945 datierten Potsdamer Protokoll sind sowohl negative Zielsetzungen der Alliierten (Entmilitarisierung, Entnazifizierung und Reparationen) niedergelegt als auch positive Bestimmungen, um den alliierten Nationen und Deutschland zu zeigen, daß es eine Zukunft für das deutsche Volk gebe. Die nachstehenden Auszüge aus dem Potsdamer Protokoll enthalten die positiven Punkte:

Das Gerichtswesen wird entsprechend den Grundsätzen der Demokratie und der Gerechtigkeit auf der Grundlage der Gesetzlichkeit und der Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz ohne Unterschied der Rasse, der Nationalität und der Religion reorganisiert werden.

Die Verwaltung Deutschlands muß in Richtung auf eine Dezentralisation der politischen Struktur und der Entwicklung einer örtlichen Selbstverantwortung durchgeführt werden. Zu diesem Zweck ist die lokale Selbstverwaltung in ganz Deutschland nach demokratischen Grundsätzen, und zwar durch Wahlausschüsse, so schnell, wie es mit der militärischen Sicherheit und den Zielen der militärischen Besatzung vereinbar ist, wiederherzustellen;

sind in ganz Deutschland alle demokratischen politischen Parteien zu erlauben und zu fördern mit der Einräumung des Rechtes, Versammlungen einzuberufen und öffentliche Diskussionen durchzuführen;

soll der Grundsatz der Wahlvertretung in die Gemeinde-, Kreis-, Provinzial- und Landesverwaltungen so schnell, wie es durch die erfolgreiche Anwendung dieser Grundsätze in der örtlichen Selbstverwaltung gerechtfertigt werden kann, eingeführt werden;

wird bis auf weiteres keine zentrale deutsche Regierung errichtet werden. Jedoch werden einige wichtige zentrale deutsche Verwaltungsabteilungen errichtet werden, an deren Spitze Staatssekretäre stehen, und zwar auf den Gebieten des Finanzwesens, des Verkehrswesens, des Nachrichtenwesens, des Außenhandels und der Industrie. Diese Abteilungen werden unter der Leitung des Kontrollrates tätig sein.

Unter Berücksichtigung der Notwendigkeit zur Erhaltung der militärischen Sicherheit wird die Freiheit der Rede, der Presse und der Religion gewährt. Die religiösen Einrichtungen sollen respektiert werden. Die Schaffung freier Gewerkschaften, gleichfalls unter Berücksichtigung der Notwendigkeit zur Erhaltung der militärischen Sicherheit, wird gestattet werden.

Während der Besatzungszeit ist Deutschland als eine wirtschaftliche Einheit zu betrachten. Mit diesem Ziel sind gemeinsame Richtlinien aufzustellen hinsichtlich:

a) der Erzeugung und der Verteilung der Produkte der Bergbau- und der verarbeitenden Industrie;

b) der Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei;

c) der Löhne, der Preise und der Rationierung;

d) des Import- und Exportprogramms für Deutschland als Ganzes;

e) der Währung, des Bankwesens, der zentralen Besteuerung und der Zölle;

f) der Reparationen und der Beseitigung des militärischen Industriepotentials;

g) des Verkehrs- und Nachrichtenwesens.

Bei der Durchführung dieser Richtlinien sind gegebenenfalls die verschiedenen örtlichen Bedingungen zu berücksichtigen.

Es ist eine alliierte Kontrolle über das deutsche Wirtschaftsleben zu errichten, jedoch nur in den Grenzen, die notwendig sind:

a) zur Erfüllung des Programms der industriellen Abrüstung und Entmilitarisierung, der Reparationen und der erlaubten Aus- und Einfuhr;

b) zur Sicherung der Warenproduktion und der Dienstleistungen, die zur Befriedigung der Bedürfnisse der Besatzungsstreitkräfte und der verpflanzten Personen in Deutschland notwendig sind und die wesentlich sind für die Erhaltung eines mittleren Lebensstandards in Deutschland, der den mittleren Lebensstandard der europäischen Länder nicht übersteigt (europäische Länder in diesem Sinne sind alle europäischen Länder mit Ausnahme des Vereinigten Königreichs und der Sowjetunion);

c) zur Sicherung — in der Weise, die der Kontrollrat festsetzt — einer gleichmäßigen Verteilung der wesentlichsten Waren unter den verschiedenen Zonen, um ein ausgeglichenes Wirtschaftsleben in ganz Deutschland zu schaffen und die Einfuhrnotwendigkeit einzuschränken;

d) zur Überwachung der deutschen Industrie und aller wirtschaftlichen und finanziellen internationalen Transaktionen einschließlich der Aus- und Einfuhr mit dem Ziel der Unterbindung einer Entwicklung des Kriegspotentials Deutschlands und der Erreichung der anderen genannten Aufgaben; e) zur Überwachung aller deutschen öffentlichen oder privaten wissenschaftlichen Forschungs- oder Versuchsanstalten, Laboratorien usw., die mit einer Wirtschaftstätigkeit verbunden sind.

Es sind unverzüglich Maßnahmen zu treffen zur:

a) Durchführung der notwendigsten Instandsetzungen des Verkehrswesens;

b) Hebung der Kohlenerzeugung;

c) weitestmöglichen Vergrößerung der landwirtschaftlichen Produktion und

d) Durchführung einer beschleunigten Instandsetzung der Wohnungen und der wichtigsten öffentlichen Einrichtungen.

Die vier Oberkommandierenden der alliierten Armeen in Deutschland waren für die Durchführung der politischen und wirtschaftlichen Richtlinien des Potsdamer Protokolls verantwortlich, und zwar jeder allein in seiner Besatzungszone sowie alle zusammen als Mitglieder des Alliierten Kontrollrats in den Gesamtdeutschland betreffenden Fragen. Fast von Anfang an zeigte sich, daß die sowjetischen Vertreter, Marschall Schukow und später Marschall Sokolowskij, entschlossen waren, die Verwirklichung der positiven Grundsätze des Potsdamer Protokolls zu verhindern. Sie gaben zwar im Prinzip ihre Zustimmung, weigerten sich dann aber, konkrete Vorschläge zur Durchführung der Konzeptionen durchzuführen. Obwohl sie sich mit dem deutschen Wiederaufbau einverstanden erklärt hatten, unterließen sie es, ihn wirklich zu fördern, indem sie sich auf Verzögerungs- und Ablenkungstaktiken verlegten. Im Dezember 1945 billigte Marschall Sokolowskij beispielsweise prinzipiell einen Vorschlag des amerikanischen und des britischen Oberkommandierenden, die Zonengrenzen für den deutschen Reiseverkehr zu öffnen, betonte aber gleichzeitig, daß die praktische Durchführung vorerst unmöglich sei. Die Vertreter der USA und Großbritanniens waren außerstande, ihn zur Begründung dieses Standpunktes zu bewegen. Als die Westmächte die Sowjets ersuchten, die Produktion Ostdeutschlands einem gemeinsamen Pool zuzuführen, um daraus — wie im Potsdamer Protokoll vorgesehen — die Kosten lebenswichtiger Importe zu bestreiten, verweigerten die Sowjets zwar nicht ihre Zustimmung, starteten jedoch ein erfolgreiches Verschleppungsmanöver. Infolge dieser Taktiken war der Alliierte Kontrollrat in seinem Aktionsradius auf die negativen Punkte des Potsdamer Protokolls beschränkt. Zahlreiche Kontrollratserlasse befaßten sich mit der Liquidierung der Nazi-Hinterlassenschaft, während Maßnahmen zum Wiederaufbau Deutschlands und zur Wiederherstellung einer wirtschaftlichen Basis im Interesse der Existenzsicherung sowie einer späteren demokratischen Regierung von der Sowjetunion nicht gebilligt und vereitelt wurden.

Angesichts dieser Obstruktionspolitik im Verein mit der in Europa und Deutschland herrschenden Not und Hoffnungslosigkeit fühlte sich der amerikanische Außenminister James F. Byrnes veranlaßt, Zielsetzung und Politik der USA am 6. September 1946 in Stuttgart erneut klarzustellen. Mr. Byrnes erklärte, die amerikanische Politik habe sich stets an folgende Richtschnur gehalten: Niederringung Nazi-Deutschlands bis zur Kapitulation; dann sicherstellen, daß Deutschland weder Ursachen und Konsequenzen des Aggressionskrieges mißdeutet, noch erneut einen solchen Krieg beginnt; Wiederbelebung derjenigen Kräfte in Deutschland, die die beste Garantie dafür bieten, daß Deutschland zu einem demokratischen Staat mit gemäßigter Politik wird; Wiedervereinigung des deutschen Volkes in einer Nation unter seiner eigenen Führung.

Wörtlich sagte Byrnes:

Obwohl wir darauf bestehen, daß Deutschland den Prinzipien des Friedens, der guten Nachbarschaft und der Humanität folgt, wollen wir doch nicht, daß Deutschland zum Satelliten irgendeiner Macht oder irgendwelcher Mächte wird, oder daß es unter einer aus- oder inländischen Diktatur lebt. Der Wunsch des amerikanischen Volkes ist es, daß die friedlichen, demokratischen Deutschen frei und unabhängig werden und es auch bleiben.

Dem Rat der Außenminister, der vom 25. November bis 15. Dezember 1947 in London tagte, gelang es nicht, ein Übereinkommen über die Probleme der deutschen Wiedervereinigung und die Errichtung einer Zentralregierung zu erzielen, mit der man Friedensvertragsverhandlungen hätte führen können. Hauptursache für den Mißerfolg des Außenministerrats waren die krassen und fundamentalen Divergenzen zwischen Sowjets und Westmächten in der Frage der wirtschaftlichen Sanierung Europas und Deutschlands in der Nachkriegszeit. Mit dem Europäischen Wiederaufbauprogramm (Marshallplan) traten die USA entschieden für eine Sanierung der europäischen Völkergemeinschaft ein, damit diese aus gesunden Nationen mit starken Regierungen bestünde, die wahre Freiheit der Persönlichkeit gegenüber Terror und Tyrannei garantieren könnten. Obwohl das Hilfsangebot an ganz Europa und nicht nur an Westeuropa gerichtet war, verhielt sich die UdSSR der wirtschaftlichen Sanierung gegenüber abweisend. Sie zog offenbar den Fortbestand des durch die Verwüstungen des zweiten Weltkriegs in Europa entstandenen wirtschaftlichen und politischen Vakuums vor. Dementsprechend weigerte sich die Sowjetunion auch, am Europäischen Wiederaufbauprogramm teilzunehmen, und hielt andere Staaten wie die Tschechoslowakei und Polen von einer Beteiligung ab. Sie beschloß stattdessen, die Durchführung ihrer Pläne für die Spaltung und Schwächung Deutschlands weiter voranzutreiben. Ihre ersten Ziele bei dieser Offensive waren die Beseitigung der Positionen ihrer Alliierten in Berlin und die Isolierung der Bewohner Westberlins.

Die Sowjets verließen den Alliierten Kontrollrat für Deutschland am 20. März 1948 und gaben am 1. April Beschränkungen für den alliierten Straßen- und Bahnverkehr zwischen Berlin und den Westzonen bekannt. Die Alliierten richteten eine „kleine Luftbrücke“ ein, die am 26. Juni 1948 — zwei Tage, nachdem die Sowjets eine totale Blockade verhängten — zu einer umfassenden Luftbrücke ausgebaut wurde. Am 10. Juni 1948 verließen die Sowjets die Kommandantur (die alliierte Regierungsbehörde für Berlin), und am 1. Juli 1948 teilte der Stabschef der Sowjetvertretung in der Kommandantur seinen britischen, französischen und amerikanischen Kollegen mit, daß die Viermächte-Verwaltung für Berlin aufgehört habe zu existieren. Die Westmächte stellten sich auf den Standpunkt, daß eine durch ein Viermächte-Abkommen geschaffene Organisation nicht einseitig aufgelöst werden könne. Trotz seines Auszuges aus dem Alliierten Kontrollrat brachte Marschall Sokolowskij, das sowjetische Ratsmitglied, am 29. Juni 1948 in einem Schreiben an General Clay, den amerikanischen Militärgouverneur für Deutschland, eigenartigerweise eine ganz ähnliche Haltung zum Ausdruck. Bezugnehmend auf die informellen Londoner Gespräche vom 7. Juni 1948 zwischen Vertretern der drei Westmächte und der Benelux-Staaten über die Deutschlandfrage erklärte Marschall Sokolowskij:

Deshalb sind alle Deutschland betreffenden Entscheidungen, die von einer oder mehreren Besatzungsmächten in Deutschland ohne Teilnahme der Sowjetunion getroffen werden, rechtswidrig und entbehren der moralischen Autorität.

Die UdSSR spaltete nicht nur die Einheit der Alliierten auf der Viermächte-Ebene, sondern zerstörte auch jene gemeinsamen deutschen demokratischen Einrichtungen, die 1947/48 bereits vorhanden waren. Ein Beispiel ist die Liquidierung der politisch-juristischen Einheit von Groß-Berlin in den Jahren 1947/48. Erst griffen die Sowjets 1947 in die demokratischen Regierungsverfahren ein, und im Laufe des Jahres 1948 führten sie die formale und „rechtliche“ Spaltung der Stadt herbei. Hier eine kurze chronologische Übersicht:

Seit dem Beginn der Besatzungszeit im Jahre 1945 galt Groß-Berlin bei der UdSSR wie bei den westlichen Alliierten als einheitliche Stadt. Es gab kein „Ost“- oder „West“-Berlin. Die Sowjets hatten jedoch kraft dessen, daß sie die Stadt erobert hatten, einen provisorischen Magistrat für die Stadt und ihre Verwaltungsbezirke ernannt.

Im Laufe des Jahres 1946 erzwangen die Sowjets die Fusion der Ostzonen-SPD (Sozialdemokratische Partei) mit der KPD (Kommunistische Partei) zur SED, der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, in der Hoffnung, sie könnten durch dieses Manöver die Herrschaft der Kommunisten in Berlin und der Ostzone „legalisieren“. Ihre Absicht war es, auf diese Weise die sozialistischen Wähler Berlins und der Ostzone zu „kassieren“. Die „Vereinigung“ wurde am 19./20. April 1946 vollzogen.

Die Berliner SPD widersetzte sich dem „Zusammenschluß“ und bestand darauf, an den ersten Berliner Wahlen nach dem Kriege — am 20. Oktober 1946 — unter eigenem Namen als gesonderte Partei teilzunehmen.

Bei dieser Wahl erlitten die Kommunisten eine schwere Schlappe, wie der nachfolgenden Statistik zum Abstimmungsergebnis zu entnehmen ist:

SPD (Sozialdemokratische Partei) 48,7%

CDU (Christlich-Demokratische Union) 22,2%

FDP (Freie Demokratische Partei) 9,3%

Nichtkommunistische Stimmen 80,2%

SED (Kommunisten) l9,8%

Als die erste demokratisch gewählte Stadtverordnetenversammlung zusammentrat, verfügten die Kommunisten nur über ein Fünftel der Sitze. Das Stadtparlament wählte zunächst Bürgermeister Ostrowski (SPD) zum Oberbürgermeister. Im April 1947 wies jedoch die Versammlung ein schriftliches Abkommen Ostrowskis über eine Zusammenarbeit mit der SED in der Stadtverwaltung zurück, sprach Ostrowski das Mißtrauen aus, und dieser erklärte seinen Rücktritt. Am 24. Juni 1947 wählte das Stadtparlament den Berliner SPD-Führer Ernst Reuter zum Oberbürgermeister von ganz Berlin. Seine Wahl erfolgte in Übereinstimmung mit den Verfahrensbestimmungen sowohl der Alliierten Kommandantur als auch der Stadt Berlin. Die Sowjets jedoch, die fürchteten, Reuter werde statt ihrer Kandidaten Personen seines Vertrauens in die Stadtverwaltung berufen, legten gegen seine Wahl ein „Veto“ ein. So kam es, daß die noch ungeteilte Stadt während der längsten Zeit ihrer demokratischen Regierungsperiode (Juni 1947 bis Dezember 1948) keinen Oberbürgermeister hatte. In Abwesenheit eines Oberbürgermeisters führte als stellvertretender Bürgermeister Frau Luise Schröder die Amtsgeschäfte der Stadt.

Die Stadtverwaltung bestand völlig zu recht auf der Aufsicht über alle Kommunalbeamten. Sofort setzte ein heftiges Ringen um die Leitung der Polizei ein. Dort hatten die Sowjets ihre Vertrauensleute untergebracht, die sich den von der Alliierten Kommandantur dazu ermächtigten rechtmäßigen deutschen Kontrollorganen nicht unterordnen wollten und weiterhin direkte Weisungen von den sowjetischen (also nicht von deutschen und nicht von alliierten) Beamten entgegennahmen. Dies führte zu einer Krisensituation in Berlin, bei der die Westalliierten, der rechtmäßige Magistrat und die Stadtverordnetenversammlung gleichermaßen gegen die eigenmächtige sowjetische Einmischung in kommunale Angelegenheiten protestierten. In den Westsektoren wurde die Frage schließlich geregelt, im Sowjetsektor jedoch widersetzten sich die kommunistischen Polizeibeamten bis zuletzt den Anordnungen der Alliierten Kommandantur und der Berliner Regierung.

Nachdem die Sowjets am 20. März 1948 den Alliierten Kontrollrat, für Deutschland verlassen hatten, erfolgte am 16. Juni 1948 ihr Austritt aus der Alliierten Kommandantur für Berlin. Am 18. Juni 1948 führten die drei Westmächte, weiterhin — wie im Potsdamer Abkommen vorgesehen — um die Wiederherstellung einer lebensfähigen deutschen Wirtschaft bemüht und nachdem sie die Sowjets wiederholt aufgefordert hatten, sich an einer Viermächte-Kontrolle der Ausgabebank zu beteiligen, in den drei Westzonen eine Währungsreform durch. Um die Spannungen mit den Sowjets nicht noch mehr zu verschlimmern, wurde die Reform nicht auf Berlin ausgedehnt. Statt sich den Westmächten anzuschließen, führten die Sowjets am 23. Juni 1948 eine eigene Währungsreform in Ostdeutschland „und Berlin“ durch. Daraufhin bezogen die Alliierten die Westsektoren der Stadt ebenfalls in ihre Reform ein.

In Berlin folgten vom Juni bis November 1948 eine Reihe bedeutungsvoller Ereignisse aufeinander, die mit der Teilung endeten. Am 23. Juni veranstaltete die SED Krawalle vor dem Berliner Rathaus, das im Sowjetsektor lag, wobei die Demonstranten mit russischen Armeelastwagen herangefahren wurden. Sowjetmarschall Sokolowskij erließ seinerseits einen Befehl in einer an sich geringfügigen Angelegenheit, der aber für „ganz Berlin“ gelten sollte. Nur die Alliierte Kommandantur war rechtmäßig befugt, einen solchen Befehl zu erlassen. Diese Autoritätsanmaßung bewies allen Deutschen die Absicht der UdSSR, die. Viermächte-Kontrolle der Stadt zu beenden.

Am 24. Juni verhängten die Sowjets die vollständige Blockade über die Stadt.

Unter sowjetischer Anweisung und Leitung fanden vom 26. August bis zum 6./7. September erneut Demonstrationen vor dem Rathaus statt.

Am 25. Oktober brachte der UN-Sicherheitsrat eine Resolution zur Beilegung der Berlin-Krise ein, gegen die die Sowjets ihr Veto einlegten.

Am 30. November — die „Blockade“ dauerte immer noch an — spalteten die Kommunisten formal die Stadtverwaltung und bildeten einen neuen „Rumpf“-Magistrat in Ostberlin, der versprach, seine Tätigkeit durch freie Wahlen zu legalisieren. Diese fanden niemals statt.

Die große Mehrheit der rechtmäßig gewählten Stadtverordneten ging nach Westberlin über. Nach den Kommunalwahlen am 5. Dezember 1948 (die bereits vor der Spaltungsaktion angekündigt worden waren, ohne daß die Sowjets für ihren Sektor die Zustimmung erteilt hatten, obwohl darüber eine Viermächte-Vereinbarung vorlag) konstituierten sich die gewählten Vertreter, die nicht in das Rathaus im Sowjetsektor zurückkehren konnten, als selbständige Körperschaft in Westberlin und wählten Ernst Reuter zum Regierenden Bürgermeister der ganzen Stadt Berlin. Ihre Gesetze konnten in der Praxis natürlich nur in Westberlin durchgeführt werden.

Dies ist die Geschichte der Spaltung der Stadt Berlin, deren westlicher Teil unter einem rechtmäßig gewählten gesamtberliner Senat nach wie vor demokratisch ist, während der Ostteil zum „Rumpf“ gemacht wurde, der jedoch schließlich noch den Anspruch erheben sollte, die „Hauptstadt“ der gleichermaßen undemokratischen „Deutschen Demokratischen Republik“ zu sein.

Um dieses „West“-Berlin geht der Kampf, der jetzt erneut intensiviert worden ist.

Da keine Aussicht auf eine Mitarbeit der Sowjets bei der Verwirklichung der vereinbarten Grundsätze in Europa, in Deutschland oder in Berlin bestand und der kommunistische Staatsstreich in der Tschechoslowakei alarmierend gewirkt hatte, richteten die USA und die anderen Westalliierten ihre Bemühungen auf die Wiedervereinigung ihrer Zonen in Deutschland. Die Bundesrepublik wurde nach demokratischen Wahlen und der Annahme eines vom Volke gebilligten Grundgesetzes im September 1949 offiziell proklamiert. Die Westmächte führten dabei in den ihrer direkten Kontrolle unterstehenden Gebieten lediglich Maßnahmen aus, die vom Viermächte-Abkommen vorgesehen sind. Eine alliierte Hochkommission und andere Überwachungsorgane wurden im Westen eingesetzt, um die Kräfte der Deutschen auf die Wiederherstellung eines geeinten deutschen Staates mit einem eigenen Platz in der internationalen Politik hinzulenken. Das ständige Wachstum der Bundesrepublik im politischen, wirtschaftlichen und internationalen Bereich wird von vielen souveränen Staaten anerkannt. Die UdSSR selbst unterhält diplomatische Beziehungen zur Bundesrepublik.

Die Proklamation der sogenannten Deutschen Demokratischen Republik im Oktober 1949 wurde von der UdSSR und den deutschen Kommunisten als „Antwort“ auf die Gründung der Bundesrepublik hingestellt. Dieses Argument kann jedoch niemanden täuschen. Die sogenannte DDR wurde auf sowjetische Anordnung errichtet und nicht auf der Basis der Selbstbestimmung. Weder freie Wahlen noch eine freie Diskussion gingen der Bildung des Regimes voraus. Erst 1950 fanden die ersten „Wahlen“ statt, und bei diesen handelte es sich um Einheitslisten-,,Wahlen“, die im Zeichen des „Block-Systems“ und der „Nationalen Front“ durchgeführt wurden, einer kommunistischen Dachorganisation, die gegründet wurde, um die Tätigkeit aller politischen und Massenorganisationen zu koordinieren.

Die Prinzipien der ostzonalen Verfassung, so ausgezeichnet sie sich anhören mögen, sind leider niemals zur Anwendung gekommen. Hingewiesen wird besonders auf Artikel 6 (Ausübung der demokratischen Rechte), Artikel 8 (persönliche Freiheit), Artikel 9 (Meinungs- und Versammlungsfreiheit), Artikel 14 (Streikrecht). Als das Regime mit aktiver Unterstützung seitens der sowjetischen Militärmacht im Juni 1953 die Spontanstreiks und Aufstände in Ostberlin und in der Ostzone niederwarf, hat es alle diese Artikel mit Füßen getreten.

Die Grundsätze der Nichteinmischung in die Angelegenheiten anderer Staaten, der friedlichen Koexistenz und der Achtung der Souveränität und der territorialen Integrität anderer Länder werden von der UdSSR ständig hervorgehoben. Man braucht nur an die Nachkriegsereignisse im Iran, in Griechenland, Korea, der Ostzone Deutschlands und in Ungarn — neben vielen anderen — zu erinnern, um den Unterschied zwischen sowjetischen Reden und sowjetischen Taten zu veranschaulichen. Die sowjetische Rechtfertigung für die direkte oder indirekte Verletzung nationaler Rechte und des Völkerrechts lautet immer „faschistische Aggression“, „Provokation von außen“ und „von ausländischen Agenten angezettelte Zersetzungsarbeit“. Die Sowjetunion hat sich beharrlich geweigert, unparteiische Inspektionen zu erlauben (wie in Korea und Ungarn) und lehnte Maßnahmen der Vereinten Nationen ab, wo immer diese drohten, ihre Machenschaften aufzudecken. Die Weigerung der Kommunisten im Jahre 1952, einer UN-Kommission den Zutritt nach Ostberlin und in die Ostzone zu gestatten, um festzustellen, ob dort die Bedingungen zur Abhaltung freier Wahlen gegeben seien, ist ein spezifisches Beispiel aus der Praxis in Deutschland.

Es besteht kein Zweifel, daß die UdSSR, das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten übereingekommen sind, für das Wiedererstehen freier politischer Parteien und die Wiederherstellung der politischen Grundfreiheiten in ganz Deutschland einschließlich des freien Nachrichten- und Publikationsaustauschs zu sorgen. Der Alliierte Kontrollrat erließ infolgedessen in seinen Direktiven Nr. 40 und Nr. 55 genauere Instruktionen zum interzonalen Austausch von Nachrichten und Drucksachen. Die Kommentierung der Politik der Besatzungsmächte wurde gestattet. Die Informierung aus der ausländischen Presse wurde gestattet. „Hinsichtlich des Austauschs von Nachrichten und demokratischen Ideen darf kein Druck irgendwelcher Art durch Verwaltungs- oder wirtschaftliche Maßnahmen von seiten der (— nie gebildeten —) Zentralregierung oder seitens der Länderregierungen ausgeübt werden.“

Diese Grundsätze kamen innerhalb der Sowjetzone niemals zur Anwendung. Der Besitz von „faschistischer“ Literatur wurde zum Staatsverbrechen erklärt. Die Bezeichnung „faschistisch“ wird von den Kommunisten benutzt, um jedwede oppositionelle Regung gegen das Regime zu brandmarken. Auch der freie Nachrichtenaustausch zwischen den anderen Zonen und der Sowjetzone wurde durch Hindernisse erschwert. Diese sowjetischen Maßnahmen hatten zur Folge, daß westliche Zeitungen und Radiostationen, wie beispielsweise der RIAS (Rundfunk im amerikanischen Sektor), in Ostberlin und in der deutschen Ostzone große Popularität und Bedeutung erlangten.

Nachdem der dortigen Bevölkerung das Recht der eigenen freien Meinungsäußerung verweigert wurde und ihr der freie Nachrichtenempfang von außerhalb der Sowjetzone verboten war, wandte sie sich natürlich anderen Quellen zu. Da die Sowjets die Bevölkerung der Ostzone vom Rest der Nation abtrennen wollten, ist diese Verletzung des Grundrechts auf freien Informationsaustausch und freizügige politische Betätigung nie korrigiert worden. Im Gegenteil, die westlichen Radiosender wurden gestört, und reguläre Nachrichtendienste wurden als „Spionagezentralen“ und Ausgangspunkte der „Wühlarbeit“ diffamiert. Das Abhören westlicher Radiosender oder Aufsuchen der Geschäftsstellen „faschistischer Organe“ wie Zeitungsredaktionen, legale politische Parteien und Rechtshilfeverbände, wie sie in Westberlin und Westdeutschland zur Beratung und Unterstützung von Ostzonendeutschen gebildet worden sind, wird mit schweren Strafen geahndet. Die zahlreichen „Schauprozesse“ von „geständigen Agenten“, die freie Informationen oder Beistand oder Rat suchten, sind ein deutlicher Beweis für die Methoden, deren die UdSSR und das Ostzonenregime sich bedienen, um die Wiederherstellung der fundamentalen Grundrechte des Menschen in der größten Nation Europas nach der UdSSR selbst zu verhindern.


IV. Die Reparationsleistungen

Die sowjetischen Behauptungen:

In der sowjetischen Note heißt es, die Westmächte hätten ungefähr ein Jahr nach dem Kriege begonnen, in Deutschland eine den Bestimmungen des Potsdamer Protokolls zuwiderlaufende Politik zu betreiben. Der Note zufolge war daran die heftige ideologische Auseinandersetzung schuld, die die Zusammenarbeit der Kriegszeit ins Gegenteil verkehrte. Sie bezichtigt die Westmächte, der UdSSR die ihr zustehenden deutschen Reparationsleistungen vorenthalten zu haben. In der Note heißt es:

Die erste Verletzung des Potsdamer Abkommens bestand darin, daß die Regierungen der USA, Großbritanniens und Frankreichs sich weigerten, ihren Verpflichtungen aus dem Abkommen hinsichtlich der Übergabe der vereinbarten Menge an Industrieausrüstungen aus Westdeutschland nachzukommen, die die Sowjetunion als teilweise Wiedergutmachung für die Zerstörungen und Schäden erhalten sollte, die die Aggression Hitler-Deutschlands der Volkswirtschaft der UdSSR zugefügt hat.

Dies sind die Tatsachen:

1. Gemäß den Bestimmungen des Potsdamer Protokolls sollte die UdSSR aus den westlichen Besatzungszonen 15 Prozent einzeln aufgeführter Industrieanlagen, die ihrer Art nach für die deutsche Friedenswirtschaft bedeutungslos waren, und zwar im Austausch gegen Nahrungsmittel und andere Rohstoffe im gleichen Wert und dazu weitere 10 Prozent ohne Gegenleistung erhalten. Die Reparationsleistungen sollten dem deutschen Volk ausreichende Anlagen belassen, um sich ohne fremde Hilfe ernähren zu können. Ferner war vorgesehen, Deutschland „als eine wirtschaftliche Einheit“ zu behandeln.

2. Die Sowjetunion hat für große Produktionsgüterlieferungen aus den Westzonen keine Kompensationslieferungen an Lebensmitteln und anderen Rohstoffen geleistet.

3. Die USA haben die Reparationslieferungen eingestellt, weil es die Sowjetunion ihrerseits verabsäumt hat, das Potsdamer Abkommen in seiner Gesamtheit zu erfüllen.

4. Zu einer Zeit, da die Westmächte gezwungen waren, Importe nach Deutschland zu finanzieren, um ein Mindestwirtschaftsvolumen aufrechtzuerhalten, preßte die Sowjetunion weiterhin laufend Reparationsleistungen aus ihrer Zone heraus. In Wirklichkeit liefen die damaligen Reparationslieferungen an die UdSSR, da die USA ihre eigene Zone unterstützen mußten, um durch sowjetische Verletzungen des Potsdamer Abkommens entstandene Lücken zu schließen, darauf hinaus, daß die UdSSR Reparationen von den USA kassierte.

Das vom 1. August 1945 datierte und von den Regierungschefs der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und der UdSSR unterzeichnete Potsdamer Protokoll sah hinsichtlich der Reparationen, die die UdSSR von Deutschland erhalten sollte, folgendes vor:

(1) Die Reparationsansprüche der UdSSR sollen durch Entnahmen aus der von der UdSSR besetzten Zone in Deutschland und durch angemessene deutsche Auslandsguthaben befriedigt werden.

(2) In Ergänzung der Reparationen, die die UdSSR aus ihrer eigenen Besatzungszone erhält, wird die UdSSR zusätzlich aus den westlichen Zonen erhalten:

a) 15 Prozent derjenigen verwendungsfähigen und vollständigen industriellen Ausrüstung, vor allem der metallurgischen, chemischen und maschinenerzeugenden Industriezweige, die für die deutsche Friedenswirtschaft unnötig und aus den westlichen Zonen Deutschlands zu entnehmen ist, im Austausch für einen entsprechenden Wert an Nahrungsmitteln, Kohle, Kali, Zink, Holz, Tonprodukten, Petroleumprodukten und anderen Waren, nach Vereinbarung.

b) 10 Prozent derjenigen industriellen Ausrüstung, die für die deutsche Friedenswirtschaft unnötig ist und aus den westlichen Zonen zu entnehmen und auf Reparationskonto an die Sowjetregierung zu übertragen ist ohne Bezahlung oder Gegenleistung irgendwelcher Art.

(3) Die Bezahlung der Reparationen soll dem deutschen Volk genügend Mittel belasien, um ohne eine Hilfe von außen zu existieren. Bei der Aufstellung des Haushaltsplanes Deutschlands sind die nötigen Mittel für die Einfuhr bereitzustellen, die durch den Kontrollrat in Deutschland genehmigt worden ist. Die Einnahmen aus der Ausfuhr der Erzeugnisse der laufenden Produktion und der Warenbestände dienen in erster Linie der Bezahlung dieser Einfuhr.

Diese Klausel sollte nicht auf die Ausrüstungen und Waren Anwendung finden, auf die Punkt (2) oben Bezug nimmt.

(4) Während der Besatzungszeit ist Deutschland als eine wirtschaftliche Einheit zu betrachten. Mit diesem Ziel sind gemeinsame Richtlinien aufzustellen hinsichtlich: . . . d) des Import- und Exportprogramms für Deutschland als Ganzes~ f) der Reparationen und der Beseitigung des militärischen Industriepotentials; g) des Verkehrs- und Nachrichtenwesens.

Die USA nahmen am 31. März 1946 die Reparationslieferungen an die UdSSR auf, und bis zum 1. August 1946 hatte die UdSSR 11 100 t Reparationsgüter aus der Kugellagerfabrik Kugel-Fischer in Schweinfurt, dem unterirdischen Flugmotorenwerk der Daimler/Benz in Obrigheim, den Werftanlagen der Deschimag in Bremen/Weser und dem Kraftwerk Gendorf erhalten. Demgegenüber hielt sich die Sowjetunion nicht an die von ihr übernommene Verpflichtung, im Austausch für einen Teil der Reparationslieferungen aus den Westzonen Lebensmittel, Kohle, Kali, Zink, Holz und andere Erzeugnisse aus der Sowjetzone an die Westzonen Deutschlands zu liefern.

Die sowjetische Note wirft den Westmächten vor, die hier unter (2) genannten Reparationslieferungen nicht eingehalten zu haben, verschweigt jedoch, daß die Westmächte diese Lieferungen erst einstellten, nachdem die Sowjetunion gegen Punkt (3) und (4) verstoßen und ihre Verpflichtungen nach (2a) verletzt hatte. Darüber hinaus wurde klargestellt, daß es sich nur um einen vorübergehenden Lieferstop handeln sollte, der so lange andauern würde, bis die UdSSR willens wäre, das Potsdamer Abkommen als Ganzes zu erfüllen. Da die UdSSR dazu nie bereit war, wurden die eingestellten Lieferungen auch nie wieder aufgenommen.

Die UdSSR wünschte von Deutschland Reparationsleistungen im Wert von 10 Milliarden Dollar. Sie hatte diesen Betrag auf der Konferenz von Jalta im Februar 1945 verlangt. Ihr Vorschlag wurde aber von den USA und Großbritannien weder in Jalta, noch danach akzeptiert. Gleichwohl verhielt sich die UdSSR bei der Beitreibung der Reparationen so, als ob man sich über diesen Betrag geeinigt hätte, trotz der klaren Feststellung des Potsdamer Protokolls, daß in bezug auf die Reparationen noch eine „gemeinsame Politik“ festzulegen sei.

Deutschland war zur Zeit der Potsdamer Konferenz wirtschaftlich ein Zuschußgebiet, das umfangreiche Importe benötigte, um seine Wirtschaft wenigstens auf einem Mindeststand zu halten. Aus diesem Grunde bestanden die Westmächte darauf, jene Bestimmungen in das Potsdamer Protokoll aufzunehmen, daß die Bezahlung von Reparationen dem deutschen Volk genügend Hilfsquellen belassen solle, um ohne Hilfe von außen zu existieren, daß für die notwendigen Mittel zur Bezahlung der notwendigen Importe Vorsorge getroffen werden müsse und daß die Einnahmen aus der laufenden Produktion und den Warenbeständen in erster Linie für die Bezahlung derartiger Importe zur Verfügung stehen sollten. Mit anderen Worten sollte also der Ertrag aus der laufenden Produktion nicht für Reparationen verwendet werden, wenn er zur Bezahlung der notwendigen Importe gebraucht wurde. In Verletzung dieser Abkommen zogen die Sowjetbehörden umfangreiche Reparationsleistungen aus der laufenden Produktion der sowjetischen Besatzungszone und weigerten sich, über diese Entnahmen aus Ostdeutschland Rechenschaft abzulegen.

Infolge der geschilderten sowjetischen Verletzungen des Protokolls von Potsdam und der sowjetischen Weigerung, Deutschland als eine wirtschaftliche Einheit zu behandeln (so daß die Hilfsquellen ihrer Zone der gesamtdeutschen Wirtschaft zur Verfügung gestanden hätten), mußten die USA und Großbritannien ihre Zonen in Deutschland finanziell unterstützen, um das Wirtschaftsminimum aufrechtzuerhalten. Ein Jahr nach der Potsdamer Konferenz berichtete der amerikanische Militärgouverneur in Deutschland:

Die US-Zone ist von jeher auf Kohle und Stahl aus der britischen Zone, auf Nahrungsmittel und Saatgut aus der sowjetischen Zone, auf Düngemittel und Weißblech aus der französischen Zone angewiesen. Die USA geben heute vielleicht 200 Millionen Dollar im Jahr — über eine halbe Million Dollar pro Tag — aus, um Hunger, Krankheit und Unruhen in der US-Zone zu verhüten. Ohne freien Handel mit anderen Teilen Deutschlands und ohne ein gemeinsames Exportprogramm kann sich die US-Zone nicht aus eigener Kraft versorgen.

In Wirklichkeit gestatteten die Vereinigten Staaten dadurch, daß sie Reparationen an die Sowjetunion lieferten und gleichzeitig ihre eigene Zone unterstützten, um die durch sowjetische Verletzungen des Potsdamer Protokolls verursachten Lücken zu schließen, der UdSSR, Reparationen von den USA statt von Deutschland zu beziehen. Angesichts dieses Sachverhalts suspendierten die USA die Reparationslieferungen aus der US-Zone an die UdSSR so lange, bis die Sowjetunion gewillt wäre, das Protokoll von Potsdam als Ganzes zu erfüllen.


V. Die Wiederaufrüstung

Die sowjetischen Behauptungen:

In der sowjetischen Note heißt es, die Westmächte betrieben die Wiederaufrüstung Westdeutschlands, wobei sie diejenigen Kräfte unterstützten und restaurierten, die die militärische Macht des Nationalsozialismus aufgebaut haben. Die Sowjets behaupten, dadurch sei das Potsdamer Protokoll verletzt und die Sowjetunion gezwungen worden, den Warschauer Pakt als Verteidigungssystem zu schaffen. Die Note führt aus:

Die Westmächte, die an die Wiederherstellung des Kriegs- und Wirtschaftspotentials Westdeutschlands gingen, belebten und stärkten eben jene Kräfte, die die hitlerfaschistische Kriegsmaschine geschmiedet hatten. Wären die Westmächte dem Potsdamer Abkommen gefolgt, so hätten sie der Wiederherstellung der Positionen der deutschen Militaristen entgegenwirken, den Revanchetendenzen Einhalt gebieten und verhindern müssen, daß Deutschland eine Armee und eine Industrie für Vernichtungsmittel schuf.

Wie bekannt, haben die Regierungen der drei Mächte dies nicht getan, sondern vielmehr die Aufstellung der westdeutschen Armee sanktioniert, und sie kurbeln die Aufrüstung der Bundesrepublik Deutschland an, wobei sie sich über die in Potsdam übernommenen Verpflichtungen hinwegsetzen. Mehr noch: sie bezogen Westdeutschland in den hinter dem Rücken der Sowjetunion geschaffenen und — wie jedermann verständlich — gegen die Sowjetunion gerichteten Nordatlantikblock ein und rüsten es nun mit Atom- und Raketenwaffen aus.

Dies sind die Tatsachen:

1. Die Vereinigten Staaten schlugen 1945, 1946 und 1947 Verhandlungen über einen 25-Jahresvertrag und später über einen 40Jahresvertrag als Garantie gegen eine Wiedererweckung des deutschen Militarismus vor. Die Sowjetunion brachte die Verhandlungen effektiv zu Fall, indem sie zahlreiche nicht zur Sache gehörende Streitfragen einbezog.

2. In der US-Zone Deutschlands haben die USA die Entmilitarisierungsbestimmungen des Potsdamer Protokolls bis 1950 voll und ganz durchgeführt.

3. Im Jahre 1948 begannen die Sowjets, in ihrer Zone eine starke „Polizeitruppe“ aufzubauen, die mit militärischen Waffen ausgerüstet und von Offizieren der ehemaligen deutschen Wehrmacht ausgebildet wurde.

4. Im Jahre 1954 (ein Jahr bevor in Westdeutschland eine Armee geschaffen wurde) standen in der Sowjetzone bereits 140 000 Mann deutsches Militär unter Waffen zuzüglich einer Polizeitruppe von 100 000 Mann. Zu jener Zeit zählte die westdeutsche Polizei 150 000 Mann, obgleich die Bevölkerungszahl Westdeutschlands dreimal so hoch ist wie diejenige Ostdeutschlands.

5. Die Streitkräfte der Bundesrepublik sind in die Nordatlantikpakt-Organisation einbezogen, die rein defensiven Zwecken im Rahmen der Vereinten Nationen dient. Die Bundesrepublik hat auf aggressive Ziele verzichtet und bestimmte Rüstungsbeschränkungen akzeptiert. Die Westmächte haben der Sowjetunion hinsichtlich dieser Punkte wiederholt Zusicherungen gegeben.

Die Bestimmungen des Potsdamer Protokolls für die Entmilitarisierung Deutschlands lauteten folgendermaßen:


3. Die Ziele der Besetzung Deutschlands, von denen sich der Kontrollrat leiten lassen soll, sind:

(1) Völlige Abrüstung und Entmilitarisierung Deutschlands und die Ausschaltung der gesamten deutschen Industrie, welche für eine Kriegsproduktion benutzt werden kann oder deren Überwachung. Zu diesem Zweck

a) werden alle Land-, See- und Luftstreitkräfte Deutschlands, SS, SA, SD und Gestapo mit allen ihren Organisationen, Stäben und Ämtern, einschließlich des Generalstabs, des Offizierkorps, der Reservisten, der Kriegsschulen, der Kriegervereine und aller anderen militärischen und halbmilitärischen Organisationen zusammen mit ihren Vereinen und Unterorganisationen, die, den Interessen der Erhaltung der militärischen Tradition dienen, völlig und endgültig aufgelöst, um damit für immer der Wiedergeburt oder Wiederaufrichtung des deutschen Militarismus und Nazismus vorzubeugen;

b) müssen sich alle Waffen, Munition und Kriegsgerät und alle Spezialmittel zu. deren Herstellung in der Gewalt der Alliierten befinden oder vernichtet werden. Die Unterhaltung und Herstellung aller Flugzeuge und Waffen, Ausrüstung und Kriegsgerät ist zu verhindern.

Die Vereinigten Staaten hatten noch vor Unterzeichnung des Potsdamer Protokolls erwogen, inwieweit Verhandlungen mit Großbritannien, Frankreich und der UdSSR über einen 25-Jahresvertrag wünschenswert seien, der garantierte, daß der deutsche Militarismus nicht wieder auferstehen könne. Außenminister James F. Byrnes ergriff die Initiative, als er im September 1945 Molotow und später Stalin einen derartigen Vertrag vorschlug. Durch deren Reaktion ermutigt, unterbreiteten die USA im Februar 1946 einen Vertragsentwurf zur Stellungnahme und eventuellen Abänderung. Die drei Westmächte unterstützten auf der Pariser Konferenz des Außenministerrates im Jahre 1946 und auf der Moskauer Konferenz des Jahres 1947 den Gedanken eines solchen Entmilitarisierungsvertrages. Als Molotow einwandte, daß die vorgeschlagene Frist von 25 Jahren zu kurz sei, stimmten die USA einer 4ojährigen Vertragsdauer zu. Die Sowjetunion brachte jedoch die Verhandlungen über einen solchen Vertrag praktisch zu Fall, indem sie versuchte, zahlreiche nicht zur Sache gehörende und strittige Fragen damit zu verknüpfen.

Während diese Verhandlungen liefen, führten die USA in ihrer Besatzungszone Deutschlands die Bestimmungen des Potsdamer Protokolls durch. In dieser Zone waren im Jahre 1945 die deutschen Streitkräfte und alle verwandten Organisationen aufgelöst worden, und ihre Neubildung wurde gesetzlich verboten. Bis zum Herbst 1947 war das gesamte Kriegsmaterial, von dem man Kenntnis hatte, gesammelt, registriert und entweder zerstört oder, sofern dies möglich war, Friedenszwecken zugeführt. Bis Ende 1948 hatten die US-Besatzungsbehörden alle speziell für die Produktion von Panzern, Kriegsausrüstung im allgemeinen, Flugzeugen, militärischen Sprengstoffen und Giftstoffen errichteten Industrieanlagen sowie alle unterirdischen Fabriken entweder zerstört oder demontiert und als Reparationen abtransportieren lassen. Die Weigerung der Sowjets, Deutschland als eine wirtschaftliche Einheit zu behandeln, machte in der US-Zone Deutschlands eine Revision der Nachkriegspläne im Sinne einer Erhöhung des Industrieniveaus erforderlich, jedoch war dort Ende 1950 die Industrie-Demontage entsprechend dem revidierten Plan für den Umfang der industriellen Produktion im wesentlichen abgeschlossen.

Die Entscheidung, deutschen Streitkräften erneut Waffen in die Hand zu geben, traf die Regierung der Sowjetunion. Am 23. Mai 1950 protestierten die Vereinigten Staaten bei der UdSSR gegen die Remilitarisierung der sowjetischen Zone, wobei sie darauf aufmerksam machten, daß 40—50 000 Mann in der sogenannten „Bereitschaftspolizei“ eine Grundausbildung für Infanterie, Artillerie und Panzerwaffen erhielten und mit militärischen Waffen sowjetischer Herkunft ausgerüstet seien.

Ende 1953 verfügte die Sowjetzone bei einer Bevölkerungszahl von 17 Millionen über eine starke „Polizeitruppe“ (insgesamt 100 000 Mann), zu der weitere 140 200 Mann Militär, darunter drei mechanisierte Divisionen und Luftwaffeneinheiten, hinzukamen. Außenminister Dulles protestierte bei Außenminister Molotow auf der Berliner Außenministerkonferenz im Februar 1954 nachdrücklich gegen diese Entwicklung. Dies geschah über ein Jahr vor der Aufstellung einer bewaffneten Streitmacht in der Bundesrepublik, die bis dahin bei 50 Millionen Einwohnern lediglich über eine 150 000 Mann starke reguläre Polizei verfügte.

Die Westmächte — die USA, Großbritannien und Frankreich — erkannten, daß aus der Wiederaufstellung und Bewaffnung deutscher Streitkräfte in der Sowjetzone eine tiefgreifende Unsicherheit für Westdeutschland resultierte, zumal sich die Situation infolge der Machtübernahme der Kommunisten in Polen und der Tschechoslowakei in den Nachkriegsjahren und seit Beginn der kommunistischen Aggression in Korea im Juni 1950 aufs äußerste verschlimmert hatte.

Die Schlußakte der Londoner Neunmächte-Konferenz vom 3. Oktober 1954 sah die Beendigung des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik und den Anschluß der Bundesrepublik an den Westen als Mitglied der Nordatlantikpakt-Organisation und der Westeuropäischen Union (Brüsseler Vertrag) vor.

Nach ihrem Beitritt zum Nordatlantikpakt und zum Brüsseler Vertrag erklärte die Bundesrepublik auf der Londoner Konferenz, daß sie sich „aller Maßnahmen enthalten“ würde, „die mit dem streng defensiven Charakter dieser beiden Verträge unvereinbar sind“, und daß sie niemals „mit gewaltsamen Mitteln . . . die Wiedervereinigung Deutschlands . . . oder . . . die Änderung (ihrer) gegenwärtigen Grenzen herbeiführen wird. . .„

In den Noten vom 10. September 1954 versicherten die USA, Großbritannien und Frankreich der Sowjetunion, daß „die Assoziierung der Bundesrepublik Deutschland . . . mit einem Verteidigungssystem — lange nach der Wiederaufrüstung Ostdeutschlands und weit davon entfernt, eine Bedrohung der europäischen Sicherheit darzustellen — dazu bestimmt ist, andere Nationen davon abzuhalten, nach Belieben von Drohungen oder Gewalt Gebrauch zu machen. Dies ist die beste Sicherheitsgarantie für alle Nachbarn Deutschlands, für Deutschland selbst und für die Gesamtheit Europas.“

Präsident Eisenhower stellte auf der Genfer Konferenz von 1955 denselben Punkt nochmals völlig klar, indem er betonte: „In keinem Fall bilden irgendwelche Teile der Deutschland zugestandenen Streitkräfte komplette oder in sich abgerundete Einheiten. Sie sind sämtlich mit den Streitkräften der anderen westlichen Nationen verflochten, wodurch es ihnen unmöglich gemacht wird, auf eigene Faust wirksame militärische Operationen zu führen.“

Neben den Beschränkungen, die der Bundesrepublik durch Einbeziehung in die stark verzahnte Befehlsstruktur der NATO hinsichtlich ihrer Befähigung zu selbständigen militärischen Aktionen auferlegt wurden, existieren die freiwilligen Verpflichtungen des Bundeskanzlers (Protokoll Nr. III des revidierten Brüsseler Vertrages), auf dem Gebiet der Bundesrepublik keine Waffen für die atomare, biologische oder chemische Kriegführung herzustellen. Der Bundeskanzler verzichtete ferner auf die Produktion von weittragenden Geschossen und Fernlenkgeschossen, von Kriegsschiffen — mit Ausnahme kleiner Fahrzeuge für Verteidigungszwecke — und von strategischen Bombern.


Anhang

Antwortnote der USA vom 31. Dezember 1958 zur sowjetischen Berlin-Note

Die. Regierung der Vereinigten Staaten bestätigt den Empfang der Note, die die Regierung der Sowjetunion unter dem Datum vom 27. November an sie gerichtet hat.

Die Note enthält eine lange Darlegung der Ereignisse, die dem letzten Krieg vorausgingen und nachfolgten. Sie versucht, die Westmächte — Frankreich, das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten — als Helfershelfer des Hitlerismus gegen die Sowjetunion hinzustellen. Dies steht in schroffem Gegensatz zu den wirklichen Tatsachen. In diesem Zusammenhang verweisen wir auf die seinerzeit am 31. Oktober 1939 von dem sowjetischen Außenminister vor dem Obersten Sowjet der UdSSR abgegebene Erklärung. In dieser Erklärung nimmt er unter anderem auf den „Abschluß des sowjetischdeutschen Nichtangriffspaktes vom 23. August“ Bezug und weist darauf hin, daß „nunmehr eine Wiederannäherung und die Schaffung freundschaftlicher Beziehungen zwischen der Sowjetunion und Deutschland erfolgt ist.“ Die Erklärung greift weiter die britische und die französische Regierung wegen ihrer Opposition gegen den Hitlerismus an und zwar mit folgenden Worten: „Die herrschenden Kreise in Großbritannien und Frankreich haben in jüngster Zeit versucht, sich als die Verfechter der demokratischen Rechte der Nationen gegen den Hitlerismus auszugeben, und die britische Regierung hat erklärt, daß ihr Ziel in dem Krieg mit Deutschland nichts geringeres als die ‚Vernichtung des Hitlerismus‘ ist . . . Jeder wird verstehen, daß eine Ideologie nicht durch Gewalt zerstört, daß sie nicht durch einen Krieg beseitigt werden kann. Es ist daher nicht nur unsinnig, sondern geradezu verbrecherisch, einen solchen Krieg zu führen — einen Krieg zur ‚Vernichtung des Hitlerismus‘, getarnt als Kampf für die ‚Demokratie‘.“

Die Situation Berlins, über die sich die Sowjetregierung beklagt und die sie als anomal betrachtet, ist eine Folge der besonderen Natur des deutschen Problems, wie es seit 1945 bestanden hat. Als das Reich Hitlers zusammenbrach, hatten die Westalliierten mehr als ein Drittel des Gebiets militärisch in Besitz, das später von den sowjetischen Behörden besetzt wurde.

Die Sowjetunion war im Besitz Berlins. Auf Grund der Abkommen vom 12. September 1944 und vom 1. Mai 1945 zogen sich die Westalliierten zurück und ermöglichten damit die Besetzung großer Teile Mecklenburgs, Sachsens, Thüringens und Anhalts durch die Sowjets, und gleichzeitig besetzten die drei Westmächte die westlichen Sektoren Berlins, damals ein Ruinenfeld.


Die Sowjetunion hat direkt und mit Hilfe ihres Marionettenregimes

— der sogenannten Deutschen Demokratischen Republik — ihre Verfügungsgewalt über das große Gebiet konsolidiert, das die Westalliierten ihr abgetreten hatten. Sie fordert nunmehr, daß die Westalliierten ihre Positionen in Berlin aufgeben, die praktisch die Gegenleistung dafür waren.

Die drei Westmächte sind als Besatzungsmächte in Berlin, und sie sind nicht zur Aufgabe der Rechte bereit, die sie durch den Sieg erworben haben, genau wie sie annehmen, daß die Sowjetunion nicht gewillt ist, jetzt den Westmächten diejenigen Positionen zu überlassen, die diese in Mecklenburg, Sachsen, Thüringen und Anhalt gewonnen, dann aber auf Grund der Abkommen von 1944 und 1945 der Sowjetunion zur Besetzung übergeben hatten.

Die von den vier Mächten geschlossenen Abkommen können nicht deshalb als überholt betrachtet werden, weil die Sowjetunion, nachdem sie bereits den vollen Nutzen aus ihnen gezogen hat, nunmehr die übrigen Partner um ihre Kompensationsvorteile prellen möchte. Diese Abkommen sind für alle Signatarstaaten bindend, so lange sie nicht durch andere frei vereinbarte Abkommen ersetzt worden sind.

Was das Potsdamer Abkommen betrifft, so hängt der Status Berlins nicht von ihm ab. Darüber hinaus trägt die Sowjetunion die Verantwortung dafür, daß das Potsdamer Abkommen nicht durchgeführt werden konnte.

Das sowjetische Memorandum zielt formell darauf ab, die Abkommen vom 12. September 1944 und vom 1. Mai 1945 aufzukündigen. Diese Aufkündigung betrifft praktisch auch noch andere und später getroffene Vereinbarungen. Wir verweisen in diesem Zusammenhang auf das Viermächteabkommen vom 20. Juni 1949, mit dem die Sowjetunion unter anderem „die Verpflichtung“ übernahm, das normale Funktionieren der Verkehrs- und Nachrichtenverbindungen zwischen Berlin und den Westzonen Deutschlands zu gewährleisten. Dieser „Verpflichtung“ möchte die Sowjetunion sich nunmehr entziehen. Die Vereinigten Staaten verweisen ferner auf das „Gipfelkonferenz“-Abkommen vom 23. Juli 1955, in dem die vier Mächte „ihre gemeinsame Verantwortung für die Regelung der deutschen Frage“ anerkannten, eine Formulierung, die zwangsläufig auch das Berlin-Problem mit einschließt. Offensichtlich versucht die Sowjetunion nunmehr, sich von diesen vereinbarten Verantwortlichkeiten und Verpflichtungen freizumachen.

Die Regierung der Vereinigten Staaten kann die sowjetische Regierung nicht daran hindern, das Erlöschen ihrer eigenen Befugnisse aus dem Viermächteregime für den Sektor zu verkünden, den sie in der Stadt Berlin besetzt hält. Andererseits kann und wird die Regierung der Vereinigten Staaten auf keinen Fall eine einseitige Aufkündigung der Abkommen von 1944 und 1945 akzeptieren; sie ist auch nicht bereit, die Sowjetunion aus den Verpflichtungen zu entlassen, die diese im Juni 1949 übernommen hat. Eine solche Maßnahme seitens der sowjetischen Regierung würde keine rechtliche Basis haben, da die Abkommen nur mit gemeinsamer Zustimmung aufgehoben werden können. Die Regierung der Vereinigten Staaten wird auch weiterhin die sowjetische Regierung direkt für die Erfüllung ihrer Verpflichtungen, die sie unter den bestehenden Abkommen hinsichtlich Berlins übernommen hat, verantwortlich machen. Wie der sowjetischen Regierung bekannt ist, besitzen die Regierungen Frankreichs, Großbritanniens und der USA das Recht auf Truppenstationierung in ihren Berliner Sektoren und auf freien Zugang dorthin. Dementsprechend sind mit den sowjetischen Behörden gewisse administrative Verfahren abgesprochen worden, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt in Kraft sind. Die Regierung der Vereinigten Staaten wird eine einseitige Aufkündigung der übernommenen Verpflichtungen seitens der sowjetischen Regierung hinsichtlich des freien Zuganges nicht akzeptieren. Sie wird es auch nicht akzeptieren, daß das Regime, das die Sowjetregierung als Deutsche Demokratische Republik bezeichnet, in dieser Hinsicht an die Stelle der Sowjetregierung tritt.

Nach Ansicht der Regierung der Vereinigten Staaten kann die Anwesenheit der französischen, britischen und amerikanischen Truppen in Berlin keine „Bedrohung“ für die sowjetische Regierung oder für das Regime darstellen, das die sowjetische Regierung als Deutsche Demokratische Republik bezeichnet. Genauso wenig kann für die sowjetische Regierung und besagtes. Regime eine militärische Bedrohung von Berlin ausgehen. Die Streitkräfte der drei Westmächte in Berlin belaufen sich auf rund 10 000 Mann. Die Sowjetregierung andererseits hat — wie es heißt — etwa 350 000 Mann in Ostdeutschland stationiert, während das Regime, das die Sowjetregierung als die Deutsche Demokratische Republik bezeichnet, ebenfalls über 200 000 Mann unter Waffen halten soll. Unter diesen Umständen scheint die Befürchtung, daß die in Berlin stationierten westlichen Truppen „Schaden anrichten“ könnten, völlig unbegründet. Wenn Berlin zum Mittelpunkt internationaler Spannungen geworden ist, so nur, weil die Sowjetunion bewußt mit der Aufhebung der gegenwärtig dort in Kraft befindlichen Abmachungen gedroht hat — Vereinbarungen, zu

deren Partnern die Sowjetregierung selbst gehört. Die Bevölkerung Westberlins hat vor kurzem in freier Wahl ihre überwältigende Billigung und Unterstützung des bestehenden Status der Stadt erneut bekräftigt.

Der weitere Schutz der Freiheit von über zwei Millionen Menschen in Westberlin ist von den drei Westmächten feierlich als Recht und Pflicht übernommen worden. Die Vereinigten Staaten können daher keinen Vorschlag in Betracht ziehen, der auf eine Gefährdung der Freiheit und Sicherheit dieser Menschen hinauslaufen würde. Das Recht der drei Mächte zum Verbleib in Berlin und auf unbehinderte Erd- und Luftverbindung zwischen dieser Stadt und der Bundesrepublik Deutschland ist unter den gegebenen Bedingungen für die Wahrnehmung dieses Rechtes und dieser Pflicht von entscheidender Bedeutung. Daher ist der Vorschlag, aus Westberlin eine sogenannte „freie Stadt“ zu machen, wie ihn die Sowjetunion unterbreitet hat, unannehmbar.

Es ist — wie in der Note der sowjetischen Regierung vom 27. November erklärt wird — gewiß nicht normal, daß 13 Jahre nach Kriegsende auf einem Teil des deutschen Territoriums immer noch ein 1945 geschaffenes Besatzungssystem besteht. Die Vereinigten Staaten bedauern dies ebenso wie die Tatsache, daß Deutschland immer noch nicht wiedervereinigt ist, so daß Berlin seinen rechtmäßigen Platz als Hauptstadt eines vereinten Deutschland einnehmen könnte. Wenn der Friedensvertrag, der dieser Situation allein ein Ende setzen kann, noch nicht mit einem wiedervereinigten Deutschland abgeschlossen worden ist, so liegt die Verantwortung hierfür keineswegs bei den drei Westmächten, die keine Anstrengungen gescheut haben, um die vier Mächte aus der Sackgasse herauszubringen, in der sie sich schon so lange befinden. Solange es nicht zu einem Friedensvertrag kommt, wird die gegenwärtige Situation andauern.

In Wirklichkeit ist die Form der Regierung Berlins, deren Gültigkeit die Sowjetregierung heute zu bestreiten sucht, nur ein Aspekt und nicht der entscheidende des deutschen Problems in seiner Gesamtheit. Dieses Problem, das oftmals definiert worden ist, schließt die wohlbekannten Fragen der Wiedervereinigung, der europäischen Sicherheit und auch des Friedensvertrages ein. Es ist in der Vergangenheit im Verlaufe zahlreicher internationaler Konferenzen mit den Sowjets ohne Erfolg erörtert worden. Die Regierung der Vereinigten Staaten war stets und ist auch heute bereit, dieses Problem zu diskutieren. Die Vereinigten Staaten haben diese Bereitschaft in der Note an die Sowjetunion vom 30. September 1958 klargestellt, in der es heißt:

„Die Regierung der Vereinigten Staaten ist jederzeit bereit, mit der sowjetischen Regierung auf der Grundlage dieser Vorschläge (das heißt der Vorschläge des Westens für freie gesamtdeutsche Wahlen und Entscheidungsfreiheit für eine gesamtdeutsche Regierung) oder jedweder anderen Vorschläge, deren ehrliche Absicht es ist, die Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit herbeizuführen, in jedem geeigneten Rahmen Verhandlungen aufzunehmen. Sie hält die Lösung des Deutschlandproblems für wesentlich, wenn eine dauerhafte Regelung in Europa erreicht werden soll.“ Die Sowjetunion ist bisher die Antwort auf diese Note schuldig geblieben.

Die öffentliche Aufkündigung feierlicher Vereinbarungen, die formell eingegangen und wiederholt bekräftigt wurden, verbunden mit einem Ultimatum, das mit einseitigen Maßnahmen zur Verwirklichung dieser Aufkündigung droht, sofern ihm nicht innerhalb von sechs Monaten entsprochen wird, bietet keine vernünftige Grundlage für Verhandlungen zwischen souveränen Staaten. Die Regierung der Vereinigten Staaten könnte Besprechungen mit der Sowjetunion über diese Fragen unter dem Druck einer Drohung oder eines Ultimatums nicht aufnehmen; vielmehr sähen sich die Vereinigten Staaten, falls dies beabsichtigt sein sollte, gezwungen, umgehend in der nachdrücklichsten Form zu protestieren. Es wird daher angenommen, daß dies nicht die Absicht der sowjetischen Note vom 27. November ist und daß die sowjetische Regierung — gleich der amerikanischen Regierung — bereit ist, in einer von Druck oder Drohungen freien Atmosphäre Besprechungen aufzunehmen.

Unter dieser Voraussetzung wäre es für die Regierung der Vereinigten Staaten von Interesse, zu erfahren, ob die sowjetische Regierung bereit ist, Besprechungen zwischen den vier betroffenen Mächten aufzunehmen. In diesem Falle wäre es das Ziel der Regierung. der Vereinigten Staaten, die Frage Berlins in dem weiteren Rahmen von Verhandlungen zur Lösung des deutschen Problems sowie des Problems der europäischen Sicherheit zu erörtern. Die Regierung der Vereinigten Staaten würde eine baldige Unterrichtung über die Ansichten der sowjetischen Regierung begrüßen.

Memorandum des US-Außenministeriums vom 20. Dezember 1958 zur Rechtslage in der Berlin-Frage

Nach Ansicht der Vereinigten Staaten sind die von der Sowjetunion aufgekündigten Abkommen voll in Kraft und wirksam, bleibt die Sowjetunion weiterhin für die Einhaltung der Verpflichtungen, die sie auf Grund dieser Abkommen übernommen hat, voll verantwortlich und verstoßen die Versuche der Sowjetunion, die Rechte der USA auf Anwesenheit in Berlin und auf Zugang dorthin zu schmälern, gegen das Völkerrecht.

Der Rechtsstreit zwischen der Regierung der USA und der Sowjetregierung berührt grundlegende Fragen des Völkerrechts. Darunter fallen die jeweiligen von den Besatzungsmächten in Deutschland am Ende des zweiten Weltkrieges erworbenen Rechte sowie der Bestand dieser Rechte bis zu einer endgültigen Friedensregelung mit Deutschland; ferner die Frage, ob ein Land einseitig und grundlos internationale Abkommen, zu deren Partnern es gehört, aufkündigen darf, um sich selbst der Verantwortlichkeit zu entledigen, die es freiwillig übernommen hatte, sowie die Frage, welche Auswirkung ein einseitiger Verzicht auf gemeinsam ausgeübte militärische Besatzungsrechte durch eine Besatzungsmacht hat.

Während des zweiten Weltkriegs bildeten die USA, Großbritannien und die Sowjetunion zusammen mit den Streitkräften des Freien Frankreich und der übrigen Vereinten Nationen eine Koalition der verbündeten Streitkräfte, deren gemeinsame Bemühungen darauf gerichtet waren, Nazideutschland zu besiegen. Die Regierungschefs der alliierten Mächte hielten verschiedene große internationale Konferenzen ab, auf denen die gemeinsamen Ziele umrissen und Pläne für die Sicherung des Friedens entworfen wurden.

In dem gemeinsam vereinbarten Kommuniqué der Moskauer Konferenz vom 19—30. Oktober 1943 heißt es:

Die Konferenz einigte sich darauf, einen Mechanismus zu schaffen, um die engstmögliche Zusammenarbeit zwischen den drei Regierungen bei der Prüfung der europäischen Fragen sicherzustellen, die sich während des weiteren Kriegsverlaufs ergeben. Zu diesem Zweck beschloß die Konferenz, in London eine Europa-Beratungskommission zu bilden, die diese Fragen studieren und den drei Regierungen gemeinsame Empfehlungen unterbreiten soll.

Die Europa-Beratungskommission hielt ihre erste Sitzung am 14. Januar 1944 ab. Danach erörterte sie „europäische Fragen“, darunter auch die zu erwartende Kapitulation und Besetzung Deutschlands. Die Art der späteren Besetzung Deutschlands und Groß-Berlins geht aus den in der Europa-Beratungskommission durchgeführten Besprechungen und den auf Grund dieser Besprechungen geschlossenen Abkommen eindeutig hervor.

Am 18. Februar 1944 legte der sowjetische Vertreter der Kommission ein Dokument mit dem Titel „Bedingungen für die Kapitulation Deutschlands“ zur Erörterung vor, dessen Artikel 15 die damaligen Ansichten der Sowjetregierung zur Errichtung von Besatzungszonen in Deutschland zeigt. Absatz d) des Artikels 15 dieses Dokuments schlug in bezug auf Berlin folgendes vor:

d) Es soll rings um Berlin eine 10—15 km-Zone geschaffen werden, die gemeinsam von den Streitkräften der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, des Vereinigten Königreichs und der Vereinigten Staaten von Amerika zu besetzen ist.

Bei der Erörterung des sowjetischen Vorschlags bezweifelte der britische Vertreter auf der Sitzung vom 18. Februar 1944, ob es zweckdienlich sei, in die Kapitulationsbedingungen eine Bestimmung über die Abgrenzung solcher Zonen aufzunehmen, da er dies als eine interne Angelegenheit der drei Mächte betrachtete.

Am 17. März 1944 erklärte der sowjetische Vertreter Gusew auf der 5. Sitzung der Europa-Beratungskommission, daß er nicht auf der Aufnahme des Artikels 15 in die Kapitulationsurkunde bestehe, damit diese kürzer gehalten werden könne. Die Zonenabgrenzung könne dann in einem gesonderten Dokument erfolgen, das lediglich der Zustimmung der Verbündeten bedürfe. Dieses gesonderte Dokument wurde im Verlaufe mehrerer späterer Besprechungen ausgearbeitet, und am 12. September 1944 unterzeichneten die Vertreter der drei Regierungen ein „Protokoll über die Besatzungszonen in Deutschland und die Verwaltung Groß-Berlins“. Am 14. November 1944 wurde Übereinstimmung über bestimmte Ergänzungen zu dem Protokoll vom 12. September erzielt. Wie der sowjetische Vertreter in der Europa-Beratungskommission mitteilte, billigte die Sowjetregierung die Zusatzvereinbarungen am 6. Februar 1945; Großbritannien hatte schon vorher am 5. Dezember 1944 das Protokoll mit den Ergänzungen angenommen, und die USA hatten sie am 2. Februar 1945 gebilligt.

Die Krimkonferenz fand vom 4.—11. Februar 1945 statt, und nach ihrem Abschluß gaben der Premierminister Großbritanniens, der Präsident der USA und der Vorsitzende des Rats der Volkskomissare der UdSSR folgende bedeutsame Erklärung zu den Ergebnissen der Krimkonferenz ab:


Besetzung und Kontrolle Deutschlands

Wir sind über die gemeinsame Politik und Planung zur Durchführung der Bestimmungen der bedingungslosen Kapitulation übereingekommen, die wir gemeinsam dem nationalsozialistischen Deutschland auferlegen werden, nachdem der bewaffnete deutsche Widerstand endgültig gebrochen ist. Diese Bestimmungen werden erst bekanntgegeben werden, wenn die endgültige Niederwerfung Deutschlands vollzogen ist. Gemäß dem in gegenseitigem Einvernehmen festgelegten Plan werden die Streitkräfte der drei Mächte je eine besondere Zone Deutschlands besetzen. Der Plan sieht eine koordinierte Verwaltung und Kontrolle durch eine Zentralkontrollkommission mit Sitz in Berlin vor, die aus den Oberbefehlshabern der drei Mächte besteht. Es ist beschlossen worden, daß Frankreich von den drei Mächten aufgefordert werden soll, eine Besatzungszone zu übernehmen und als viertes Mitglied an der Kontrollkommission teilzunehmen, falls es dies wünschen sollte. Die Grenzen der französischen Zone werden von den vier beteiligten Regierungen durch ihre Vertreter in der Europa-Beratungskommission in gegenseitigem Einvernehmen festgelegt.

Am 26. Juli 1945 schlossen die USA, Großbritannien und die UdSSR ein Abkommen mit der Provisorischen Regierung der Französischen Republik über eine Abänderung des Protokolls vom 12. September 1944, die dazu diente, Frankreich an der Besetzung Deutschlands und der Verwaltung von Groß-Berlin zu beteiligen. Der sowjetische Vertreter in der Europa-Beratungskommission gab bekannt, daß seine Regierung dieses Abkommen am 13. August 1945 gebilligt habe. Die USA billigten es am 29. Juli 1945, Großbritannien billigte es am 2. August 1945, und die französische Regierung billigte es am 7. August 1945. Das Protokoll besagt in seiner endgültigen Form:

1. Deutschland wird innerhalb seiner Grenzen, wie sie am 31. Dezember

1937 bestanden, für Besatzungszwecke in vier Zonen aufgeteilt, von denen eine jeder der vier Mächte zugeteilt wird, sowie in ein besonderes Berlin-Gebiet unter gemeinsamer Besatzung der vier Mächte.

Das Protokoll legt dann im einzelnen die geographischen Grenzen jeder Zone fest und die Aufgliederung des Gebietes von Groß-Berlin, das „gemeinsam von den Streitkräften der vier Mächte besetzt wird“, in vier Teile. Absatz 5 des Protokolls bestimmt:

5. Zwecks gemeinsamer Leitung der Verwaltung des Gebiets von Groß-Berlin wird eine interalliierte Behörde (Kommandantura) errichtet, welche aus vier von den entsprechenden Oberbefehlshabern ernannten Kommandanten besteht.

Man sollte sich daran erinnern, daß die einzigen Änderungen des Protokolls nach dem 6. Februar 1945, als es in Kraft trat, die Ergänzungen über die französischen Besatzungsrechte waren. Die französische Besatzungszone und der französische Sektor von Berlin wurden aus Teilen der amerikanischen und der britischen Zonen und Sektoren gebildet, so daß die Zusätze im Grunde an der Aufteilung der Befugnisse in Deutschland zwischen der UdSSR und den Westmächten nichts änderten.

Das Verhältnis zwischen den Besatzungsmächten in Deutschland wurde durch die Arbeit der Europa-Beratungskommission im Zusammenhang mit dem Abkommen über das Kontrollverfahren in Deutschland weiter geklärt. Am 14. November 1944 kam es innerhalb der Kommission zu einer Vereinbarung über die Organisation des alliierten Kontrollmechanismus in Deutschland für die Zeit, in der Deutschland die grundlegenden Bestimmungen der bedingungslosen Kapitulation ausführen würde. Am 1. Mai 1945 wurde ferner vereinbart, die Provisorische Regierung der Französischen Republik in das Kontrollabkommen einzubeziehen. Dieses Abkommen sieht in der endgültigen Fassung vor:

Die oberste Gewalt in Deutschland wird auf Anweisung ihrer jeweiligen Regierungen von den Oberbefehlshabern der bewaffneten Streitkräfte der Vereinigten Staaten von Amerika, des Vereinigten Königreichs und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken sowie der Provisorischen Regierung der Französischen Republik ausgeübt, von jedem in seiner eigenen Besatzungszone und ferner gemeinsam in allen Deutschland als Ganzes betreffenden Angelegenheiten, und zwar in ihrer Eigenschaft als Mitglieder des unter dem vorliegenden Abkommen eingesetzten obersten Kontrollorgans.

Es besagt ferner in bezug auf Berlin (Artikel 7a):

Es wird eine interalliierte Behörde (Komendatura) geschaffen, die aus den vier Kommandanten besteht — einer von jeder Macht —‚ die von ihrem jeweiligen Oberbefehlshaber ernannt werden und gemeinsam die wesentlichen identisch mit dem „Abkommen über das Kontrollverfahren in Deutschland“. Verwaltung des debletes von Groß-Berlin leiten. Jeder der Kommandanten wird abwechselnd als Leiter der interalliierten Behörde den Posten des Hauptkommandanten übernehmen.

Dieses Abkommen enthielt, abweichend von dem „Protokoll über die Besatzungszonen“, eine Bestimmung über seine Dauer (Artikel 10):

Die oben beschriebenen alliierten Organe für die Kontrolle und Verwaltung Deutschlands werden während der unmittelbar auf die Kapitulation folgenden Anfangsperiode der Besetzung Deutschlands arbeiten, d. h. in der Zeit, in der Deutschland die grundlegenden Forderungen der bedingungslosen Kapitulation erfüllt.

Am 7. und 8. Mai 1945 wurde die „Militärische Kapitulationsurkunde“ unterzeichnet, in der das deutsche Oberkommando erklärte: „Wir . . . übergeben hiermit bedingungslos dem Obersten Befehlshaber der Alliierten Expeditionsstreitkräfte und gleichzeitig dem Oberkommando der Roten Armee alle gegenwärtig unter deutschem Befehl stehenden Streitkräfte

Zum Zeitpunkt der Kapitulation der deutschen Streitkräfte hatten die britischen und amerikanischen Streitkräfte mit Waffengewalt das gesamte deutsche Gebiet westlich der Linie Wismar—Magdeburg—Torgau—Dresden besetzt. Dieses Gebiet schloß praktisch das ganze Territorium ein, das in dem „Protokoll über die Besatzungszonen“ den Westmächten zugesprochen worden war, sowie einen sehr wesentlichen Teil des der Sowjetzone zugewiesenen Gebiets. Weiter ist von Interesse, daß die Westmächte in den Wochen vor der deutschen Kapitulation deutsche Angebote abgelehnt hatten, an der Westfront zu kapitulieren oder von ihr deutsche Streitkräfte abzuziehen, Im Osten aber gegen die sowjetischen Streitkräfte standzuhalten, um damit den Westalliierten die Besetzung ganz Deutschlands zu ermöglichen. Die Westmächte lehnten diese Vorschläge getreu ihren Abkommen mit der Sowjetunion sowie in Anbetracht der Gemeinsamkeit des Sieges über das Naziregime und der gemeinsamen Übernahme der obersten Regierungsgewalt in Deutschland ab.

Am 5. Juni 1945 veröffentlichten die alliierten Vertreter in Deutschland eine „Erklärung in Anbetracht der Niederlage Deutschlands und der Übernahme der obersten Regierungsgewalt hinsichtlich Deutschlands“. Diese Erklärung sah folgendes vor:

Die Regierungen der Vereinigten Staaten von Amerika, der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken und des Vereinigten Königreichs sowie die Provisorische Regierung der Französischen Republik übernehmen hiermit die oberste Regierungsgewalt in Deutschland, einschließlich aller Befugnisse der deutschen Regierung, des Oberkommandos der Wehrmacht und der Regierungen, Verwaltungen oder Behörden der Länder, Städte und Gemeinden. Die Übernahme zu den vorstehend genannten Zwecken der besagten Regierungsgewalt bewirkt nicht die Annektierung Deutschlands.

Die Regierungen der Vereinigten Staaten von Amerika, der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken und des Vereinigten Königreichs sowie die Provisorische Regierung der Französischen Republik werden später die Grenzen Deutschlands oder irgendeines Teiles Deutschlands und die rechtliche Stellung Deutschlands oder irgendeines Gebietes, das gegenwärtig einen Teil deutschen Gebietes bildet, festlegen.

Am 5. Juni 1945 gaben die vier alliierten Regierungen weiter eine Erklärung über den Kontrollmechanismus für Deutschland ab. Diese Erklärung ist im

Weiter gaben die vier alliierten Regierungen am 5. Juni 1945 eine Feststellung über die Besatzungszonen in Deutschland heraus. In dieser Erklärung wurden die vorher innerhalb der Europa-Beratungskommission im Jahre 1944 abgesprochenen Gebiete bekanntgegeben. Artikel 2 der Erklärung bestimmt:

Das Gebiet von Groß-Berlin wird von Truppen einer jeden der vier Mächte besetzt. Zwecks gemeinsamer Leitung der Verwaltung dieses Gebietes wird eine interalliierte Behörde (russisch: Komendatura) errichtet werden, welche aus vier von den entsprechenden Oberbefehlshabern ernannten Kommandanten besteht.

Am 14. Juni 1945 richtete der Präsident der USA ein Schreiben an Marschall Stalin, in dem es hieß, die Zurücknahme der amerikanischen Truppen aus der sowjetischen Zone in die amerikanische Besatzungszone solle erfolgen in Übereinstimmung mit den Abmachungen zwischen den jeweiligen Befehlshabern, wobei diese Abmachungen die gleichzeitige Verlegung von Garnisonen der einzelnen Länder nach Groß-Berlin und die Gewährung des freien Zugangs auf dem Luft-, Straßen- und Schienenwege von Frankfurt und Bremen nach Berlin für die amerikanischen Streitkräfte einschließen.

Stalin antwortete darauf in einem Schreiben vom 18. Juni 1945:

Von unserer Seite werden in Deutschland und Österreich im Einklang mit dem oben erwähnten Plan alle notwendigen Maßnahmen ergriffen werden.

Am 1. Juli 1945 rückten die amerikanischen Truppen In Berlin ein, während sie von ihren vorgeschobenen Positionen in Ostdeutschland zurückgezogen wurden.

Im Einklang mit dem Vorschlag über den Abzug der amerikanischen Streitkräfte aus Thüringen und Sachsen und ihrem Einzug in Berlin fand am 29. Juni 1945 eine Konferenz zwischen Marschall Schukow, General Clay und General Weeks statt. Es wurden allgemeine Vereinbarungen über die Benutzung bestimmter ‘Straßen, Eisenbahnlinien und Luftkorridore seitens der Westmächte getroffen, damit diese ihr Recht auf Zugang nach Berlin ausüben könnten.

Die allgemeinen Vereinbarungen wurden weiter durch Maßnahmen des alliierten Kontrollapparates in Deutschland — des Kontrollrats, des Koordinierungsausschusses als wichtigstes nachgeordnetes Kontrollratsorgan und der beteiligten Funktionsausschüsse und Referate — festgelegt. Einige dieser spezifischen Regelungen wurden in eigens gebilligte Dokumente aufgenommen, wie das Dokument des Transportreferats CONL/P (45) 27 über den Zugang auf dem Eisenbahnwege, das Protokoll (110) (a) des Alliierten Kontrollrats über Luftkorridore nach Berlin, das Dokument DAIR/P (45) 67, zweite Fassung, des Luftfahrtreferats über die Luftsicherheit in Berlin, sowie das Dokument DAIR/P (45) 71, zweite Fassung, des Luftfahrtreferats über Bestimmungen für Flüge In den Luftkorridoren. Darüber hinaus kam hinsichtlich der Ausübung des Zugangsrechts durch die Westmächte eine ganze Reihe von Arbeitsverfahren und praktischen Regelungen zustande. Die Vereinbarungen bezogen sich jedoch nur auf die ordnungsgemäße Ausübung des Zugangsrechts.

Am 20. März 1948 verließen die sowjetischen Vertreter den Alliierten Kontrollrat für Deutschland, nachdem der den Vorsitz führende sowjetische Delegierte die Sitzung eigenmächtig für beendet erklärt hatte. Am 30. März 1948 erklärte der stellvertretende sowjetische Militärgouverneur, General Dratwin, in einem Schreiben an die amerikanische Militärregierung, daß am 1. April 1948 hinsichtlich der Verbindungswege zwischen der sowjetischen und der amerikanischen Besatzungszone Deutschlands Zusatzbestimmungen in Kraft treten würden. Diese Bestimmungen, die im Gegensatz zu der seit der Viermächte-Besetzung Berlins geübten Praxis standen, schrieben vor:

1. Amerikaner, die über Bahn oder Straße durch die sowjetische Zone reisen, müssen sich durch die Vorlage von Papieren legitimieren und ihre Zugehörigkeit zur amerikanischen Militärverwaltung für Deutschland nachweisen. -

2. Militärische Frachtgutsendungen von Berlin nach den Westzonen müssen an den sowjetischen Kontrollstellen mit sowjetischen Genehmigungen ausgewiesen werden; Frachtgutsendungen nach Berlin müssen durch Begleitpapiere ausgewiesen werden.

3. Alles Gepäck muß an den sowjetischen Kontrollstellen kontrolliert werden, ausgenommen das persönliche Gepäck von Amerikanern, das im Eisenbahnabteil oder im Personenwagen mitgeführt wird.

Ähnliche Schreiben wurden den Behörden der britischen und der französischen Militärregierung zugestellt.

Am 31. März antwortete der Stabschef der amerikanischen Militärregierung, die neuen Bestimmungen seien unannehmbar und derartige einseitige Änderungen der Politik könnten nicht anerkannt werden.

Die Sowjets führten dann verschiedene Beschränkungen des Verkehrs nach und von Berlin ein, die schließlich in der Berliner Blockade gipfelten. Was die Anstrengungen der Sowjetunion betrifft, die Bevölkerung Berlins auszuhungern, um die Westmächte zur Aufgabe ihrer Rechte in der Stadt zu zwingen, so sind die Tatsachen zu gut bekannt, als daß sie nochmals dargelegt werden müßten.

Die von den Westmächten errichtete Luftbrücke brachte diese sowjetischen Bemühungen zum Scheitern. Am 4. Mai 1949 erzielten die Regierungen der USA, der Sowjetunion, Großbritanniens und Frankreichs in New York ein Übereinkommen, das u. a. bestimmte:

1. Alle von der Regierung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken seit dem 1. März 1948 verfügten Behinderungen der Nachrichten-, Verkehrs- und Handelsverbindungen zwischen Berlin und den Westzonen Deutschlands sowie zwischen der Ostzone und den Westzonen werden am 12. Mai 1949 aufgehoben.

Der Rat der Außenminister, der nach Abschluß des New Yorker Abkommens vom 4. Mai 1949 in Paris zusammenkam, gelangte zu folgender Vereinbarung:

5. Die Regierungen Frankreichs, der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, des Vereinigten Königreichs und der Vereinigten Staaten sind übereingekommen, daß das New Yorker Abkommen vom 4. Mai 1949 beibehalten werden soll. Darüber hinaus sollen die Besatzungsmächte jeweils in ihrer Zone — um die in den vorangehenden Absätzen beschriebenen Ziele weiter zu fördern und um dieses und andere Abkommen und Übereinkommen bezüglich der Bewegung von Personen und Gütern und der Verbindung zwischen der Ostzone und den Westzonen sowie zwischen den Zonen und Berlin, sowie weiter bezüglich des Transits zu verbessern und zu ergänzen — die Verpflichtung haben, die notwendigen Maßnahmen zur Sicherung des normalen Funktionierens und der normalen Benutzung der Schienen-, Wasser- und Straßenwege für eine derartige Bewegung von Personen und Gütern und solcher Verbindungen durch Post, Telefonie und Telegrafie zu treffen.

Artikel 1 des New Yorker Abkommens vom 4. Mai 1949 wurde durch den Befehl Nr. 56 der Sowjetischen Militär-Administration und des Oberbefehlshabers der sowjetischen Besatzungsstreitkräfte in Deutschland vom 9. Mai 1949 in Kraft gesetzt. Der Befehl besagt, daß die Bestimmungen, die vor dem 1. März 1948 bezüglich der Verbindungen zwischen Berlin und den Westzonen in Kraft waren, wieder Gültigkeit erlangen. Absatz 4 des sowjetischen Befehls sieht insbesondere vor:

Das vor dem 1. März 1948 gültige Verfahren, das dem Militär- und Zivilpersonal der britischen, amerikanischen und französischen Besatzungstruppen erlaubte, die Demarkationslinie an den Kontrollpunkten Marienborn und Nowawes ohne besondere Pässe zu überschreiten und das für alle anderen Kontrollpunkte vom Stab der SMA ausgegebene Pässe vorschrieb, soll wieder eingeführt werden.

Der vorstehende historische Überblick zeigt einwandfrei, daß die Rechte der USA in Deutschland und Berlin in keiner Weise von der Duldung oder Einwilligung der Sowjetunion abhängen. Diese Rechte resultieren aus der totalen Niederlage des Dritten Reichs und der nachfolgenden Übernahme der obersten Regierungsgewalt in Deutschland. Die Niederwerfung und Übernahme der Machtbefugnisse wurden als gemeinsame Unternehmen durchgeführt, bei denen allen Beteiligten gleicher Rang zukam. Die Rechte jeder Besatzungsmacht existieren unabhängig voneinander und bilden die Grundlage für die verschiedenen Übereinkommen, die festlegten, in welchen Gebieten und mit welchen Methoden diese Rechte ausgeübt werden sollen. Aus dieser Tatsache ergeben sich zwei wichtige Konsequenzen.

Zunächst einmal ändern sich die spezifischen Rechte, die auf dem „Abkommen über die Besatzungszonen in Deutschland und die Verwaltung Groß-Berlins“ fußen, weder nach ihrer Natur noch nach ihrem Ausmaß. Das Recht jeder Macht, als Besatzung in Berlin zu sein, ist dem Recht einer jeden Macht, als Besatzung in ihrer Zone zu sein, gleichrangig. Ferner ist das Recht der drei Westmächte auf freien Zugang nach Berlin als ein unerläßliches Korrelat ihres dortigen Besatzungsrechts vom gleichen Rang wie das Besatzungsrecht selbst. Nicht die Sowjetunion hat die Westmächte mit dem Recht auf Zugang nach Berlin ausgestattet. Sie übernahm ihre Besatzungszone unter der Voraussetzung des Bestehens dieses Zugangsrechts. Wenn dies nicht der Fall wäre und der Grundsatz gemeinsamer und gleicher Rechte nicht zuträfe, dann könnten zum Beispiel die USA jetzt von der Sowjetunion fordern, sich aus demjenigen Teil der sowjetischen Zone zurückzuziehen, der ursprünglich von amerikanischen Truppen besetzt worden war, um ihrerseits die Kontrolle über dieses Gebiet zu übernehmen.

Da zweitens die Besatzungs- und Zugangsrechte nicht von der Sowjetunion herrühren, haben die Sowjets keinerlei Befugnis, diese Rechte durch Aufkündigung von Abkommen oder durch die vorgebliche Übertragung ihrer Kontrolle an dritte aufzuheben. Die Sowjetunion kann diese Rechte nicht daß durch beeinträchtigen, daß sie Abkommen für null und nichtig erklärt, da die Rechte unabhängig von der Sowjetunion bestehen. Die Sowjetunion kann diese Rechte auch nicht dadurch beeinträchtigen, daß sie erklärt, sie fielen unter die Souveränität, mit der sie angeblich ihr Marionettenregime in Ostdeutschland ausgestattet hat, weil die Rechte wiederum unabhängig von jeder Handlung der Sowjets weiterbestehen. Gleichgültig, welche Beziehungen das ostdeutsche Regime zu den Sowjets unterhalten mag, kann es in keinem Fall eine Befugnis in der Sowjetzone übernehmen, die die Sowjets überhaupt nicht zu übertragen vermögen. Die vorstehenden Ausführungen nehmen natürlich keinen Bezug auf die Legalität des angedeuteten Schrittes der Sowjets, Ihre feierlichen Verpflichtungen aufzukündigen; diese Frage wird im folgenden erörtert.

Die Sowjetregierung erklärt in ihrer Note vom 27. November 1958:

Die Sowjetregierung kann sich nicht länger durch den Teil der alliierten Abkommen über Deutschland gebunden betrachten, der unangemessenen Charakter angenommen hat und zur Aufrechterhaltung des Besatzungsregimes in Westberlin und zur Einmischung in die inneren Angelegenheiten der DDR ausgenutzt wird.

In diesem Zusammenhang setzt die Regierung der UdSSR die Regierung der USA davon in Kenntnis, daß die Sowjetunion als null und nichtig betrachtet: das „Protokoll über das Abkommen zwischen den Regierungen der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, der Vereinigten Staaten von Amerika und des Vereinigten Königreichs über die Besatzungszonen in Deutschland und die Verwaltung Groß-Berlins“ vom 12. September 1944 sowie die damit verbundenen Zusatzabkommen einschließlich des Abkommens über das Kontrollverfahren in Deutschland, das zwischen den Regierungen der UdSSR, der USA, Großbritanniens und Frankreichs am 1. Mai 1945 abgeschlossen wurde, d. h. die Vereinbarungen, die während der ersten Jahre nach der Kapitulation Deutschlands wirksam sein sollten.

Bei ihrem Versuch, diesen Schritt zu rechtfertigen, behauptet die Sowjetregierung:

1. daß ein solcher Schritt legal sei, weil die Westmächte angeblich das Potsdamer Abkommen verletzt hätten;

2. daß die Abkommen lediglich während der ersten Jahre nach der Kapitulation Deutschlands wirksam sein sollten;

3. daß die Westmächte durch angebliche Handlungen in den Westsektoren von Berlin ihre Rechte auf Besetzung dieser Sektoren und auf freien Zugang dorthin verwirkt hätten.

Die zwischen dem Potsdamer Abkommen und den Besatzungsrechten der USA in Berlin bestehenden Beziehungen

Das sogenannte Potsdamer Abkommen wurde zum Abschluß der Berliner Konferenz vom 17. Juli bis 2. August 1945 veröffentlicht. Das Protokoll über die Verhandlungen, das die von den Regierungschefs der USA, Großbritanniens und der UdSSR getroffenen Vereinbarungen enthält, trägt das Datum des 1. August 1945. Allein schon aus dieser Datumsangabe geht hervor, daß die Gültigkeit des Abkommens über die Besatzungszonen und die Verwaltung Groß-Berlins, das nahezu sechs Monate früher am 6. Februar 1944 in Kraft trat, nicht vom Potsdamer Verhandlungsprotokoll abhängt. Darüber hinaus enthält das Potsdamer Protokoll nichts, wodurch das vorherige Abkommen ausdrücklich irgendeiner seiner Bestimmungen untergeordnet würde oder was in diesem Sinne interpretiert werden könnte. Ebensowenig gibt es Anhaltspunkte dafür, daß die später getroffenen Vereinbarungen über die Ausübung des Zugangsrechtes sich in irgendeiner Weise auf das Potsdamer Protokoll beziehen oder mit ihm verbunden sind.

Auch (angebliche oder tatsächliche) Verletzungen des Potsdamer Abkommens könnten deshalb keinerlei rechtliche Auswirkung auf die Gültigkeit sowohl der grundlegenden Besatzungsrechte der Westmächte als auch der Abmachungen haben, die das Recht der Westmächte definieren, als Besatzung in ihren Zonen und in ihren Sektoren von Berlin anwesend zu sein und freien Zugang nach Berlin zu haben.

Darüber hinaus steht das Potsdamer Abkommen, soweit es Deutschland betrifft, in Zusammenhang mit den gemeinsamen Zielen der Besatzungsbehörden in Deutschland. Die Erreichung dieser Ziele sollte die Zwecke der Besetzung Deutschlands fördern, doch enthält das Protokoll nirgends einen Hinweis darauf, daß die Besatzungsrechte von der Erreichung dieser Ziele abhängig gemacht worden seien. Des weiteren resultierte, soweit diese Ziele nicht verwirklicht wurden, das Versagen aus Verletzungen der Bestimmungen des Potsdamer Protokolls durch die Sowjetunion. Die wesentlichen Verletzungen bestanden in der Weigerung der Sowjetunion, Deutschland als wirtschaftliche Einheit zu behandeln, und in den fortgesetzten Versuchen der Sowjetunion, Reparationszahlungen einzutreiben, auf die sie nach den Bestimmungen des Protokolls keinen Anspruch hatte. Die USA sind bereit, Verletzungen des Potsdamer Abkommens durch die Sowjetunion dokumentarisch zu belegen. Sie haben jedoch niemals behauptet, daß derartige Verletzungen die Besatzungsrechte der Sowjetregierung in ihrer Zone Deutschlands und in ihrem Sektor Berlins beeinträchtigten.

Die USA bestreiten — und sie sind bereit, die Richtigkeit ihres Standpunktes dokumentarisch zu beweisen—, das Potsdamer Abkommen verletzt zu haben, wie dies von der Sowjetregierung behauptet wird. Die USA verweisen jedoch darauf, daß dieses Problem für die Frage, ob die Sowjetunion ein internationales Abkommen wie das Protokoll vom 12. September 1944 einseitig für null und nichtig erklären kann, irrelevant ist, da sich die beiden Abkommen auf verschiedene Gegenstände bezogen und in keiner Weise voneinander abhingen.

Es sollte weiter im Auge behalten werden, daß die Sowjetunion in ihrer Note nicht behauptet hat, daß sie das Potsdamer Protokoll auf Grund dieser angeblichen Verletzungen durch die Westmächte als null und nichtig ansieht. Wenn das Potsdamer Protokoll daher in Kraft und wirksam bleibt, wie kann man dann — selbst wenn man um des Argumentes willen akzeptiert, daß diese anderen, davon unterschiedenen und unabhängigen Übereinkommen von diesem Protokoll tatsächlich abhängig seien — logisch oder rechtlich den Standpunkt aufrechterhalten, daß die ergänzenden Abkommen durch eine Verletzung des Hauptabkommens null und nichtig werden, obwohl das Hauptabkommen selbst nicht aufgehoben wird? Dieser Standpunkt ist schon auf den ersten Blick vollkommen unhaltbar.


Die Gültigkeit der Abkommen über die Besetzung Deutschlands

Die USA sind der Ansicht, daß die Sowjetregierung in ihrer Note vom 27. November 1958 ausgesprochen unklar in ihren Hinweisen auf die speziellen Abkommen über Deutschland ist, welche nach ihrer Ansicht nur „während der ersten Jahre nach der Kapitulation Deutschlands wirksam sein sollten“.

Die USA glauben, daß eine Prüfung der verschiedenen oben angeführten Dokumente im Rahmen des historischen Zusammenhangs, in dem diese Abkommen vereinbart wurden, die Art der von den vier Besatzungsmächten übernommenen Verpflichtungen eindeutig klarstellt. Bestimmte dieser Dokumente oder Teile von ihnen bezogen sich auf die unmittelbaren Ziele der Besatzung oder auf Verwaltungsvereinbarungen zwischen den Besatzungsmächten. Verständlicherweise wurden in solchen Fällen ausdrücklich Bestimmungen für eine Überprüfung in angemessenem Zeitabstand vorgesehen. Ein solcher Fall, in dem derartige Vereinbarungen getroffen wurden, ist insbesondere die Feststellung zum Kontrollverfahren in Deutschland vom 5. Juni 1945. In Absatz 1 des Abkommens heißt es: „Während der Zeit, in der Deutschland die sich aus der bedingungslosen Kapitulation ergebenden grundlegenden Forderungen erfüllt. . .„. Absatz 8 ist sogar noch deutlicher, was die Absichten der Partner betrifft:

8. Die oben dargelegte Regelung gilt für die der deutschen Kapitulation folgende Besatzungszeit, innerhalb welcher Deutschland die sich aus der bedingungslosen Kapitulation ergebenden grundlegenden Forderungen erfüllt. Eine Regelung für die darauffolgende Zeit wird Gegenstand einer Sondervereinbarung bilden.

Auf seiten der USA ist niemals daran gezweifelt worden, daß bei der Planung vor der Besetzung eine „zweiphasige“ Besatzungszeit für Deutschland ins Auge gefaßt war. Ferner pflichten die USA voll und ganz dem Standpunkt bei, daß die „Zeit, in der Deutschland die sich aus der bedingungslosen Kapitulation ergebenden grundlegenden Forderungen erfüllt“, längst vorüber ist. Ein ähnlicher einleitender Vorbehalt wurde im Zusammenhang mit der Aufzählung der im Teil II des Potsdamer Protokolls enthaltenen Punkte gemacht, und zwar in der Überschrift: „Grundsätze, deren man sich bei der Behandlung Deutschlands in der Anfangsperiode der Kontrolle bedienen muß“. So wie das Abkommen über das Kontrollverfahren anerkanntermaßen eine Regelung war, die für eine relativ kurze Zeitspanne gelten sollte, so sollten die „Grundsätze“ im II. Teil des Potsdamer Protokolls bestimmend sein während der unmittelbaren Nachkriegsperiode vor der Wiederherstellung einer deutschen Zentralregierung, in der Zeit also, in der die alliierten Mächte

Deutschland unter einer Militärregierung verwalten würden. Außenminister Acheson legte dies in seiner Erklärung dar, die er vor dem Rat der Außenminister am 24. Mai 1949 abgab. Einige Tage später, am 28. Mai, erklärte Bevin vor dem Rat, die Westmächte betrachteten die „Anfangsperiode der Kontrolle“ als beendet. Außenminister Acheson erklärte, er pflichte der Feststellung Bevins herzlich bei. Wyschinskij trat dem nicht ausdrücklich entgegen und wandte sich auch nicht gegen den damit angedeuteten Gedankengang. Er führte am 27. Mai aus:

Der (Kontroll-)Rat wurde für bestimmte Zwecke geschaffen. Wenn diese Zwecke bereits erreicht sein sollten, dann sollte dieser Tatsache Rechnung getragen und sollten neue Ziele formuliert werden.

Daher bestreiten die USA auch nicht, daß das Kontrollabkommen und Teil II des Potsdamer Abkommens auf eine „Anfangsperiode der Kontrolle“ begrenzt waren. Wie die Tatsachen jedoch ganz eindeutig beweisen, besagen die Fristangaben in diesen Dokumenten nicht, daß die grundlegenden Besatzungsrechte und die anderen Besatzungsabkommen nach der Anfangsperiode der Kontrolle aufgehoben werden sollten. Weder im Protokoll vom 12. September 1944, in der „Militärischen Kapitulationsurkunde“, der „Erklärung in Anbetracht der Niederlage Deutschlands und der Übernahme der obersten Regierungsgewalt“ vom 5. Juni 1945, der „Feststellung über die Besatzungszonen in Deutschland“ vom 5. Juni 1945, der „Feststellung über Konsultationen mit den Regierungen anderer Mitglieder der Vereinten Nationen“ vom 5. Juni 1945, d~n nicht im Teil II angeführten Bestimmungen des Potsdamer Abkommens, noch in irgendeiner der Sondervereinbarungen über den Zugang nach Berlin ist eine derartige Bestimmung enthalten.

Die Schwäche des Arguments, daß das Protokoll vom 12. September 1944 nach der Anfangsperiode der Kontrolle auf Grund eines stillschweigend angenommenen Zusammenhangs mit der zeitlichen Befristung im „Abkommen über das Kontrollverfahren“ vom 5. Juni 1945 ungültig geworden sei, wird eindeutig durch die Tatsache erhellt, daß das „Abkommen über das Kontrollverfahren“ in dem Satz, der demjenigen folgt, den die Sowjets auf alle anderen Besatzungsabkommen übertragen möchten, bestimmt: „Die Regelung - für die darauffolgende Zeit wird Gegenstand einer Sondervereinbarung bilden.“ Daher entbehrt der sowjetische Versuch, nach so langer Zeit zu behaupten, die Abkommen über die Besetzung Deutschlands sollten lediglich „während der ersten Jahre nach der Kapitulation Deutschlands“ Geltung haben, jeglicher Grundlage.


Verwirkung der Besatzungsrechte der Westmächte durch ihre Handlungen in Westberlin

Die USA betrachten es nicht als notwendig, die sowjetischen Beschuldigungen zu entkräften, die in der Note vom 27. November 1958 bezüglich der Handlungen der Vereinigten Staaten als Besatzungsmacht In Berlin erhoben werden. Sie können und werden es aber tun, falls eine solche Maßnahme zweckdienlich erscheinen sollte. Die wohlbekannte Tatsache, daß ein ständiger Strom von Flüchtlingen aus dem sowjetisch kontrollierten Gebiet Deutschlands nach Westberlin fließt, ist an sich schon ein überzeugender Beweis dafür, welche Mächte ihren Besatzungspflichten in der richtigen Weise nachkommen. Diese Tatsachen brauchen jedoch nicht erörtert zu werden, da die sowjetischen Beschuldigungen in keiner Weise mit den Verpflichtungen in Zusammenhang stehen, die die USA in jenen Abmachungen übernommen haben, die die Sowjetunion aufgekündigt hat.

Der sowjetische Standpunkt, daß ein Partner eines multilateralen Abkommens, das bestehenden Rechten Ausdruck verleiht, dieses Abkommen aufkündigen, sich einseitig von seinen darin übernommenen Verpflichtungen befreien und die betreffenden Rechte für null und nichtig erklären kann, Ist unhaltbar. Sofern keine Zustimmung der anderen Partner zur Aufhebung des Abkommens vorliegt oder sofern die Geltungsdauer des Abkommens selbst nicht genau festgelegt ist, müßte die Frage der Aufhebung gemäß dem Völkerrecht klargestellt werden. Das Völkerrecht anerkennt aber unter solchen Umständen kein Recht der einseitigen Aufhebung.

Um ihren Standpunkt in dieser Frage in die richtige Perspektive zu rücken, möchten die USA betonen, daß zwar, wie oben ausgeführt, keine Vereinbarung oder Befristung hinsichtlich der Dauer der alliierten Besetzung bestand

— sollte doch diese Dauer anerkanntermaßen davon abhängen, welcher Zeitraum notwendig wäre, um die Ziele der Besatzung zu erreichen, mochten auch Jahre darüber hingehen —‚ daß aber die USA eine völkerrechtliche Verpflichtung der alliierten Regierungen anerkannt haben, eine Friedensregelung mit Deutschland herbeizuführen und die Besetzung Deutschlands nicht unnötig zu verlängern. Man darf annehmen, daß die von der Öffentlichkeit registrierten Bemühungen der Westmächte um eine Einigung mit der Sowjetregierung über die Bedingungen einer solchen Friedensregelung allgemein bekannt sind und für sich selbst sprechen.

1. Auf der ersten Sitzung der zweiten Tagung des Rates der Außenminister (Paris 1946) schlug Außenminister Byrnes vor, eine Sonderkommission einzusetzen, um einen deutschen Friedensvertrag zu erörtern. Am 15. Mai 1946 empfahl er die Ernennung von Sonderbeauftragten, um den Entwurf einer Friedensregelung für Deutschland vorzubereiten, den der Rat einer zum 12. November 1946 einzuberufenden Friedenskonferenz unterbreiten sollte.

2. Auf der dritten Sitzung des Rates der Außenminister (New York 1946) bestand Außenminister Byrnes darauf, daß der Rat umgehend seine Deutschlandbeauftragten ernennen sollte und daß diese Beauftragten das Problem noch vor der Moskauer Tagung untersuchen soBten.

3. Der vorgeschlagene Friedensvertrag wurde auf der Moskauer Tagung des Rates der Außenminister im März 1947 sowie im gleichen Jahr in London und 1949 in Paris erörtert. Die konsequente Befürwortung einer endgültigen Friedensregelung mit Deutschland seitens der USA Ist somit der Öffentlichkeit bekannt.

4. Auf der Pariser Tagung der Stellvertreter des Rates der Außenminister wurde vom 5. März bis zum 22. Juni 1951 ohne jeden Erfolg versucht, wenigstens Übereinstimmung über die Tagesordnung für eine Konferenz zur Erörterung der deutschen Frage zu erzielen. -

Tatsache ist, daß während der zeit der Gespräche zwischen der Sowjetunion und den westlichen Besatzungsmächten von 1946 bis 1951 die Sowjetunion in Ihrer Kontrollzone ein Regierungssystem eingeführt hat, das auf bewaffneter Gewalt und Polizeistaatmethoden basiert. Die Westalliierten können in den Personen, die als Repräsentanten Ostdeutschlands ausgegeben werden, nichts anderes sehen als Werkzeuge der Sowjetunion. Die Westmächte haben daher darauf bestanden, die deutsche Wiedervereinigung auf der Grundlage freier Wahlen als eine Voraussetzung für Verhandlungen über einen Friedensvertrag mit Deutschland zu betrachten. Die Sowjetunion bestand darauf, daß die von ihr bestellten ostdeutschen Vertreter bei einer Wiedervereinigung dasselbe Mitspracherecht haben sollten wie die frei gewählten Vertreter Westdeutschlands. Somit hat diese Ablehnung der demokratischen Prinzipien durch die Sowjets die Anstrengungen zunichte gemacht, Einvernehmen über eine Friedensregelung mit Deutschland zu erzielen, wie sie während des Krieges und in der ersten Nachkriegszeit ins Auge gefaßt war.

Tatsache bleibt, daß die Westmächte das Anrecht Deutschlands auf eine endgültige Friedensregelung und eine Beendigung der Besatzungszeit unterstützt haben und jetzt noch unterstützen. Die USA vertreten den Standpunkt, daß es angesichts dieser ihrer ehrlichen Bereitschaft, der Besatzungszeit mit legitimen Mitteln ein Ende zu setzen, keine juristischen oder moralischen Zweifel an der Berechtigung der USA geben kann, ihr Besatzungsrecht in Berlin und Ihr damit verbundenes Recht auf Zugang nach Berlin aufrechtzuerhalten, ebensowenig wie daran, daß die Versuche der Sowjetunion, diese Rechte anzufechten und anzutasten, eine Verletzung des Völkerrechts darstellen.

Erklärung des US-Außenministeriums zu der sowjetischen Note, abgegeben am 27. November 1958

Die Sowjetregierung hat dem Botschafter der Vereinigten Staaten in Moskau heute eine Berlin betreffende Note übergeben. Offenbar haben die Botschafter Frankreichs, des Vereinigten Königreichs und der Bundesrepublik Deutschland ähnliche Noten ‘erhalten. Die Mitteilung ist sehr lang und wird selbstverständlich sorgfältig geprüft werden.

Die Sowjets scheinen vorzuschlagen, daß die drei Westalliierten auf ihre Rechte in Westberlin verzichten und sich zugunsten der Schaffung einer sogenannten „freien Stadt“ zurückziehen, während sie selbst Ostberlin weiter in der Hand behalten. Ihr Vorschlag zur Schaffung einer „freien Stadt“ ist auf Westberlin beschränkt. Die Sowjetregierung deutet an, daß sie sich von ihren Verpflichtungen gegenüber den drei Westalliierten in bezug auf Berlin entbunden betrachten wird, falls diese den sowjetischen Vorschlag nicht binnen sechs Monaten akzeptieren.

Es ist klar, daß damit verschiedene grundsätzliche Erwägungen aufgeworfen werden, die bei der Prüfung der sowjetischen Note im Auge zu behalten sind.

Dazu gehört, daß die USA zusammen mit Großbritannien und Frankreich sich feierlich verpflichtet haben, die Sicherheit der Westsektoren von Berlin zu wahren. Zweieinviertel Millionen Westberliner haben im Vertrauen darauf überzeugend und mutig demonstriert, welche guten Früchte die Freiheit trägt.

Eine weitere Erwägung ist, daß die USA eine einseitige sowjetische Aufkündigung der Verpflichtungen und Verantwortlichkeiten, die die Sowjetunion hinsichtlich Berlins in aller Form mit Großbritannien, Frankreich und den USA vereinbart hat, nicht hinnehmen werden. Ebenso wenig werden sie mit der Sowjetunion irgendein Abkommen schließen, das, gleichviel in welcher Form, letztlich die Auslieferung der Bevölkerung Westberlins an eine feindselige Herrschaft zur Folge haben würde.

Die Westalliierten haben sich jahrelang um Verhandlungen mit den Sowjets über die Freiheit ganz Deutschlands, dem Berlin zugehört, auf der Basis vom deutschen Volk selbst durchgeführter freier Wahlen bemüht. Tatsächlich warten die drei Westmächte immer noch auf die Beantwortung ihrer letzten Vorschläge, die der Sowjetregierung am 30. September 1958 zugestellt wurden.

Die Regierung der Vereinigten Staaten wird mit der britischen und der französischen Regierung sowie mit der Bundesrepublik Deutschland und der NATO über die neue sowjetische Note beraten.


Viermächte-Kommunique zur Berlin-Frage

14. Dezember 1958

Die Außenminister Frankreichs, der Bundesrepublik Deutschland, des Vereinigten Königreichs und der Vereinigten Staaten traten am 14. Dezember 1958 in Paris zusammen, um die Entwicklung der Lage in Berlin während des vergangenen Monats sowie die von der Sowjetunion am 27. November an ihre Regierungen gerichteten Noten zu erörtern. Die Außenminister genossen den Vorzug, einen mündlichen Vortrag über die Lage in Berlin von dem Regierenden Bürgermeister der Stadt, Herrn Brandt, entgegenzunehmen.

Die Außenminister Frankreichs, des Vereinigten Königreichs und der Vereinigten Staaten bestätigten nochmals die Entschlossenheit ihrer Regierungen, ihre Position und ihre Rechte in bezug auf Berlin, einschließlich -des Rechts auf freien Zugang, zu wahren.

Sie hielten eine einseitige Aufhebung der gegenüber den Regierungen Frankreichs, des Vereinigten Königreichs und der Vereinigten Staaten mit Bezug auf deren Anwesenheit in Berlin und die Freiheit des Zugangs zu dieser Stadt bestehenden Verpflichtungen durch die Sowjetregierung oder die Einsetzung der deutschen Behörden der Sowjetzone anstelle der Sowjetregierung, insoweit diese Rechte berührt werden, für unannehmbar.

Nach einer weiteren Erörterung der Sowjetnoten vom 27. November 1958 bestand unter den vier Außenministern Übereinstimmung über die Grundprobleme, die in den Antworten auf jene Noten behandelt werden müssen. Die vier Regierungen werden ihre Verbündeten im NATO-Rat konsultieren und im Anschluß daran ihre Antworten formulieren.


NATO-Erklärung zur Berlin-Frage

16. Dezember 1958

1. Der Nordatlantikrat prüfte die Berliner Frage.

2. Der Rat erklärt, daß kein Staat das Recht hat, sich einseitig aus seinen internationalen Abmachungen zu lösen. Er stellt fest, daß die Aufkündigung der interalliierten Vereinbarungen über Berlin durch die Sowjetunion in keiner Weise die anderen Vertragspartner ihrer Rechte berauben oder die Sowjetunion ihrer Verpflichtungen entbinden kann. Solche Methoden zerstören das gegenseitige Vertrauen zwischen den Nationen, das eine der Grundlagen des Friedens ist.

3. Der Rat tritt in vollem Umfange den Auffassungen bei, die hierzu durch die Regierungen der Vereinigten Staaten, des Vereinigten Königreichs, Frankreichs und der Bundesrepublik Deutschland in ihrer Erklärung vom 14. Dezember 1958 zum Ausdruck gebracht wurden.

4. Die von der Sowjetunion erhobenen Forderungen haben eine ernste Lage geschaffen, der mit Entschlossenheit begegnet werden muß.

5. Der Rat erinnert an die Verantwortung, die jeder Mitgliedstaat in bezug auf die Sicherheit und Wohlfahrt Berlins und die Aufrechterhaltung der Position der drei Mächte in dieser Stadt übernommen hat. Die Mitgliedstaaten der NATO könnten keine Lösung der Berliner Frage gutheißen, die das Recht der drei Westmächte, so lange in Berlin zu bleiben, wie es ihre Verantwortlichkeiten erfordern, in Frage stellt und die nicht die Freiheit der Verbindungslinien zwischen dieser Stadt und der freien Welt gewährleistet. Die Sowjetunion wäte für jede Handlung verantwortlich, die dazu führen würde, diese freie Verbindung zu behindern oder diese Freiheit zu gefährden. Die zwei Millionen Einwohner West-Berlins haben soeben in freier Wahl mit überwältigender Mehrheit ihre Zustimmung und Unterstützung für diese Position erneut bestätigt

6. Der Rat ist der Ansicht, daß die Berliner Frage nur im Rahmen eines Abkommens mit der Sowjetunion über die gesamte Deutschlandfrage geregelt werden kann. Er ruft in Erinnerung, daß die Westmächte sich wiederholt bereit erklärt haben, dieses Problem ebenso wie die der europäischen Sicherheit und der Abrüstung zu prüfen. Sie sind zu einer Diskussion aller dieser Fragen nach wie vor bereit.

Schlußkommunique der NATO-Ministerratstagung

18. Dezember 1958

Vom 16. bis 18. Dezember 1958 fand in Paris die ordentliche Ministertagung des Atlantikrats statt.


Die internationale Lage

Bei der umfassenden Überprüfung der internationalen Lage stand die Berlin-Frage im Vordergrund. Die Mitgliedstaaten haben ihre Entschlossenheit betont, keiner Drohung nachzugeben. Ihre einstimmige Auffassung über Berlin wurde in der Erklärung des Rates vom 16. Dezember zum Ausdruck gebracht.

Der Rat wird diese Frage weiterhin aufmerksam verfolgen und die auf die Sowjetnoten vom 27. November zu erteilenden Antworten in Kürze erörtern.

Die Mitgliedstaaten der NATO sind zutiefst davon überzeugt, daß im Interesse des Friedens eine gerechte Lösung der die freie Welt von der kommunistischen Welt trennenden offenen politischen Fragen erforderlich ist. Eine Lösung der Deutschlandfrage in Verbindung mit der Schaffung eines Sicherheitssystems in Europa und eine Übereinkunft über die kontrollierte Abrüstung bleiben ihrer Auffassung nach von wesentlicher Bedeutung. Die Regierungen der NATO werden weiterhin um eine gerechte Lösung dieser Probleme bemüht sein, bedauern jedoch, daß die westlichen Vorschläge zu diesen Fragen von der sowjetischen Regierung bis jetzt nicht beachtet wurden.

Der Rat nahm Berichte über die Genfer Verhandlungen bezüglich der Einstellung von Kernwaffenversuchen und der Maßnahmen zur Verhinderung von Überraschungsangriffen entgegen.

Die vom Rat vorgenommene Überprüfung der internationalen Lage befaßte sich mit zahlreichen Problemen; sie beruhte auf den vom Politischen Ausschuß

ausgearbeiteten Berichten.

Die Versuche des kommunistischen Blocks, die Stellung der freien Welt in verschiedenen Gebieten zu schwächen, wurden mit besonderer Aufmerksamkeit behandelt.


Politische Zusammenarbeit

Dem Rat lag ein Bericht des Generalsekretärs über die politische Zusammenarbeit innerhalb des Bündnisses vor. Die Minister sind der Auffassung, daß auf diesem Gebiet während des Jahres 1958 bedeutsame Fortschritte erzielt wurden. Sie prüften die durch die Ausweitung der politischen Konsultation zwangsläufig aufgeworfenen Probleme. Es bestand Einigkeit darüber, daß der bestehende NATO-Mechanismus den Bedürfnissen des Bündnisses durchaus gerecht wird und daß durch elastische Verfahren bessere Ergebnisse erzielt werden können als durch die Festlegung starrer Regeln. Die Minister

waren der Auffassung, daß die Vorbereitung der politischen Konsultation im Rat verbessert werden könnte, insbesondere durch: ein systematischeres Studium der langfristigen politischen Fragen. Der Rat anerkannte die Bemühungen des Generalsekretärs um die Schlichtung von Meinungsverschieden~ heiten zwischen den Mitgliedstaaten.


Wirtschaftsfragen

Die Minister bestätigen erneut die Bedeutung, die sie den von den Mitgliedstaaten einzeln und gemeinsam getroffenen Maßnahmen zur Förderung des Wirtschaftslebens und zur Sicherung einer normalen Ausweitung der wirtschaftlichen Tätigkeit ohne Inflation beimessen.

Der Rat nahm die Schwierigkeiten zur Kenntnis, die bei den Verhandlungen über die Gestaltung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen denjenigen europäischen Mitgliedstaaten des Bündnisses, die dem Gemeinsamen Markt angehören, und den außerhalb des Gemeinsamen Marktes stehenden Mitgliedstaaten entstanden sind.

Er betrachtet die baldigstmögliche Herbeiführung einer multilateralen Assoziation als notwendig und gibt der Hoffnung Ausdruck, daß die im Hinblick auf eine Lösung unternommenen Bemühungen Erfolg haben.

Der Rat nahm eine gemeinsame Erklärung der griechischen und türkischen Außenminister über das Problem der weniger entwickelten Länder entgegen; er hat den Ständigen Rat aufgefordert, diese Probleme weiter zu prüfen.


Militärische Fragen

Der Rat prüfte die militärische Lage des Bündnisses. Nach Entgegennahme von Berichten der Ständigen Gruppe und der Obersten Alliierten Befehlshaber betonten die Minister die angesichts der ständigen Steigerung der sowjetischen Rüstung bestehende Lebensnotwendigkeit, die Bemühungen der Mitgliedstaaten um eine Verbesserung der Verteidigungskraft des Bündnisses unvermindert aufrechtzuerhalten.

Der Rat versichert erneut, daß die Verteidigungsstrategie der NATO weiterhin auf dem Bestehen und der Wirksamkeit der Schildstreitkräfte und dem festen Willen beruht, die nuklearen Vergeltungsstreitkräfte einzusetzen, um eine Aggression zurückzuschlagen.

Die Minister prüften den Bericht über die Jahreserhebung 1958 und billigten dessen Schlußfolgerungen. Die Durchführung der von den Regierungschefs im Dezember 1957 beschlossenen Pläne wird aktiv fortgesetzt, und es wurden Maßnahmen zu ihrer Beschleunigung getroffen.

Die nächste ordentliche Ministertagung des Rats wird aus Anlaß des 10. Jahrestages der Unterzeichnung des Nordatlantikvertrages auf Einladung der Regierung der Vereinigten Staaten vom 2. bis 4. April 1959 in Washington statt finden.


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