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Karl Wilhelm Fricke. Foto: © Ralf Gründer, Berlin, 03.09.2009

Biografische Notiz

Karl Wilhelm Fricke wird am 5. September 1929 in Hoym (Anhalt) geboren. Nach Ende des Krieges wird Frickes Vater am 20. Juni 1946 von der sowjetischen Besatzungsmacht verhaftet und kommt in ein Internierungslager. Kurz nach Ablegung seines Abiturs 1949 flieht Fricke nach Westdeutschland. Anfänglich studiert er in Wilhelmshaven, ab 1952 an der Deutschen Hochschule für Politik in Berlin. Gleichzeitig arbeitet er hier als freier Journalist für mehrere Zeitungen, Zeitschriften und den Sender Freies Berlin.

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Nach Übergabe der Internierten an die Deutsche Volkspolizei 1950 wird der Vater im Rahmen der berüchtigten „Waldheimer Prozesse“ zu 12 Jahren Zuchthaus verurteilt. Er verstirbt während seiner Haft am 31. März 1952. Fricke spezialisiert sich frühzeitig auf DDR-Themen und wendet sich besonders der Problematik der politischen Verfolgung zu. Er sucht Kontakt zur Pressestelle der Berliner Abteilung des Ministeriums für gesamtdeutsche Fragen, zur Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit und zum Untersuchungsausschuss Freiheitlicher Juristen (UFJ), nutzt deren Informationen für seine journalistische Arbeit. Die Staatssicherheit wird auf Frickes Artikel und Kommentare aufmerksam und beschließt, ihn als „Feind der DDR“ mundtot zu machen. Mit Hilfe von Inoffiziellen Mitarbeitern der Stasi, die in den Bekanntenkreis Frickes eingeschleust worden sind, wird er am 1. April 1955 durch ein Betäubungsmittel bewusstlos gemacht und von West- nach Ostberlin verschleppt. Fricke kommt für 467 Tage in die Untersuchungshaftanstalt Berlin-Hohenschönhausen. Seine Mutter wird am 6. April 1955 in Quedlinburg unter dem Verdacht verhaftet, mit ihrem Sohn konspiriert zu haben. Das Bezirksgericht Halle/Saale verurteilt sie am 14. Februar 1956 wegen „Staatsverleumdung und Devisenvergehen“ zu zwei Jahren Haft. Im November 1956 wird die Strafe „bedingt ausgesetzt“. Karl Wilhelm Fricke wird am 11. Juni 1956 vom 1. Strafsenat des Obersten Gerichts der DDR in Ostberlin „wegen Verbrechen gegen Artikel 6 der Verfassung der DDR“ zu vier Jahren Zuchthaus unter Anrechnung der Untersuchungshaft verurteilt. Er kommt zum Strafvollzug zuerst nach Brandenburg-Görden und schließlich mit Verlegung der Gruppe der „Staatsfeinde“ am 9. August 1956 nach Bautzen II.

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Seine Haftzeit verbringt er in strenger Isolation, die vom MfS mit seiner Einweisung in den Strafvollzug angeordnet worden war. Am 31. März 1959 wird Fricke nach Ablauf seiner vollständigen Haftzeit nach Westberlin entlassen. Er arbeitet wieder als Journalist und Publizist. Von 1976 bis 1994 ist er als Redakteur beim Deutschlandfunk in Köln tätig. Er veröffentlicht mehrere Bücher zur Politischen Justiz und zum MfS-Apparat in der DDR. Nach der Friedlichen Revolution in der DDR 1989 und der Öffnung der MfS-Archive setzt er sich auch publizistisch mit seiner personlichen Verfolgungsgeschichte auseinander. Karl Wilhelm Fricke lebt heute in Köln.

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Quelle: Karl Wilhelm Fricke, Silke Klewin: Bautzen II - Sonderhaftanstalt unter MfS-Kontrolle 1956 bis 1989, Bericht und Dokumentation, S. 150-151
Lit.-Tipp 1: Humaner Strafvollzug und politischer Mißbrauch : zur Geschichte der Strafvollzugsanstalten in Bautzen 1904 bis 2000 / Karl Wilhelm Fricke. Unter Mitarb. von Mirko Buschmann ... [Hrsg.: Sächsisches Staatsministerium der Justiz, Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit]. - Dresden, 1999. - 214 S. (Sächsische Justizgeschichte ; 10)
Lit.- Tipp 2: Fricke, Karl Wilhelm
Ministerium für Staatssicherheit intern. Macht, Strukturen, Auflösung der DDR-Staatssicherheit : Analyse u. Dokumentation. - Köln : Verl. Wiss. u. Politik, 1991. - 208 S.