Videointerview mit Heinz Gerull, dem letzten Redakteur des Studios am Stacheldraht. Video: © Ralf Gründer, Berlin, 08.03.2002

Heinz Gerull war der letzte Redakteur des »Studios am Stacheldraht« ....

Haftzeit in Workuta

Heinz Gerull verbrachte fünf Jahre seines Lebens als politischer Häftling im russischen Strafgefangenenlager Workuta; gelegen in der autonomen Republik Komi am nördlichen Ende des Ural-Gebirges am Oberlauf des Flusses Ussa.

Der Gulag Workuta - Stalins Höllen-Lager

„1950 wurde Heinz Gerull vom sowjetischen Militärtribunal zu 25 Jahren Arbeitslager verurteilt.

Seine kritische Berichterstattung über die DDR war ihm - wie auch dem Berliner Fotografen und Journalisten Hans-Joachim Helwig-Wilson - zum Verhängnis geworden.

Während Helwig-Wilson für den in Berlin (West) erscheinenden Telegraf fotografierte war Heinz Gerull, ebenfalls für den Telegraf als Redakteur tätig.

Obwohl Helwig-Wilson als britischer Journalist akkreditiert (1960) war, wurde er während der Ausübung seines Berufs in der DDR verhaftet und weggesperrt.

Heinz Gerull hingegen besuchte im Herbst 1950 seine Mutter in Ostberlin und wurde auf offener Straße verhaftet und in die Untersuchungshaftanstalt Berlin-Hohenschönhausen verschleppt. Nach seiner Verurteilung „wegen Spionage“ verbrachte man ihn in einem getarnten Häftlingszug, auch „Blauer Express“ genannt, nach Moskau.

„Das war kein Leben, das war Vegetieren!"

Die Verschleppung führte weiter durch die endlos scheinende Tundra bis zum Polarkreis. In der kargen strauch- und baumlosen Landschaft herrschten mörderische Temperaturen mit bis zu 55 Grad Minus. Im zehn Monate lang andauernden Winter herrschten acht Wochen lang totale Dunkelheit. Die politischen Gefangenen mussten in einem Schichtsystem rund um die Uhr im Steinkohlebergbau zwangsarbeiten. Die tägliche Ernährung bestand lediglich aus einen Stück Brot, eine Kelle dünne Suppe und etwas Hirse-Mais-Brei.

Geschlafen wurde auf Holz-Pritschen in Baracken, die mit bis zu 300 Mann belegt waren. Die Kleidung bestand aus Lumpen; Ärzte gab es kaum. Erst Stalins Tod brachte Heinz Gerull die kaum mehr erhoffte Freiheit.

1955 kam der Verschleppte nach Berlin (West) zurück und wurde vom Berliner Senat als Verwaltungsangestellter eingestellt. 1961 übernahm er die Funktion eines Redakteurs für das Studio am Stacheldraht.

Workuta war eines der berüchtigten Gulags, mit denen Stalin in den 30er Jahren die Sowjetunion überzogen hatte. Durch die Erlebnisberichte und Romane »Marschroute eines Lebens« (Jewgenija S. Ginsburg, 1967) und »Archipel Gulag« (Alexander Solschenizyn, 1973-76) wurden die Arbeitslager bekannt und (traurig) berühmt. Der tyrannische Diktator, in der DDR liebevoll als »Vater aller Völker« verehrt, hat schätzungsweise 20 Millionen Menschen in den Gulags entrechtet, psychisch deformiert, zu Zwangsarbeit erpresst und ein Drittel davon jämmerlich verrecken lassen.

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Tipp: Ginzburg, Evgenija S. : Marschroute eines Lebens / Jewgenija Semjonowna Ginsburg. Dt. von Swetlana Geier. - Reinbek b. Hamburg : Rowohlt, 1967. - 380 S. - Einheitssacht.: Krutoj maršrut <dt.>
Tipp: Der Archipel Gulag / Alexander Solschenizyn. Aus dem Russ. von Anna Peturnig .... - 1. - Frankfurt am Main : Fischer-Taschenbuch-Verl., 2008. - 579 S. (Fischer ; 18424) ISBN 978-3-596-18424-8

Zitat: WORKUTA - „Das Schicksal tausender unschuldiger Opfer in Stalins Arbeitslagern darf nicht vergessen werden”. Heinz Gerull