Das Schicksal der 31-jährigen jungen Frau beschrieb die Journalisten Franciska Hanel in ihrem Bericht „An einem Sommertag im August″ vom 15./16. August 1998 in der Wochenend.

 

„Am 14. August wollte sie zurück sein. Es war später Nachmittag, und die Sonne schickte schon schräge Strahlen durch die Bäume, da erreichten die beiden jungen Frauen die Stadt Hirschberg. Bei der Steinmühle hielten sie kurz an und beratschlagten sich. Ja, hier wollten sie die Saale durchqueren, was kein Problem war. Denn der Sommer war heiß und trocken gewesen und der Fluß fast ausgetrocknet. Erst watete die Bekannte zügig durch das niedrige Wasser, knapp hinter ihr Ursula Wendt. Noch einen Meter bis zum Ufer auf bayerischer Seite! Da zerriß ein einziger Schuß die Stille des in sommerlicher Hitze flirrenden Nachmittags. Ursula schien wie erstarrt. Dann sackte sie langsam zusammen und blieb liegen. Tot. Der Schuß war mitten ins Herz gegangen, abgefeuert von einem russischen Posten auf der „Kernsbrücke“, den die Frauen im Gegenlicht der Sonne nicht gesehen hatten. ... Ursula Wendt war das erste Opfer an der Grenze. Zwei Tage noch lag sie im Wohnzimmer der Familie aufgebahrt, dann wurde sie auf dem Berger Friedhof begraben. Nie wurde bekannt, wer der Posten war, der die junge Frau erschoss. Und an der Grenze mußten noch weit über 900 Menschen sterben, bis der „Eiserne Vorhang“ am 9. November 1989, nach 44 Jahren, geöffnet wurde. ... Sie war das erste Opfer an der unseligen Grenze: Ursula Wendt aus Untertiefengrün im Landkreis Hof.″

 

Der Zeitzeuge Erich Bahner aus Hirschberg wurde als Kind Zeuge dieses Verbrechens. Damals spiele er mit Freunden am Uferbereich der Saale nahe Hirschberg im Winkel und sah, wie sich eine Menschengruppe bildete, die dann durch die Saale in Richtung Westen watete. Ursula Wendt ging als Letzte und war vielleicht noch zwei Schritte vom bayrischen Ufer entfernt, als sich ein russischer Soldat auf der Kernsbrücke umdrehte und einen einzigen Schuss abfeuerte. Erich Bahner berichtet im Interview weiter, dass er zu dieser Zeit nachts des öfteren Schüsse gehört hat. Auch kann er sich an nächtliche Krankentransporte erinnern. „Die Toten″, sagt er, „wenn es denn wirklich welche gab, sind nicht mit dem Leichenauto abgefahren worden. Es ist ja irgendwie alles verwischt worden″. Ob jemand tödlich getroffen wurde oder nicht, weiß niemand; ist aber zu vermuten!

 


Tipp 1: Befehl des sowjetischen Stadtkommandanten zum Aufbau einer Stadtpolizei, des Gerichtswesens und der Staatsanwaltschaft. In: Berlin : Chronik der Jahre ... / hrsg. im Auftrag des Senats von Berlin, bearb. vom Landesarchiv Berlin, Abteilung Zeitgeschichte. Gesamtl. Albrecht Lampe. - S. 250

Tipp 2: Grewe, Wilhelm
Ein Besatzungsstatut für Deutschland : die Rechtsformen der Besetzung / Wilhelm Grewe. - Stuttgart : Koehler, 1948. - 233 S.

FN (1) SMA: Abk. für Sowjetische Militäradministration in Deutschland