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Verwirkung der Besatzungsrechte der Westmächte durch ihre Handlungen in Westberlin

Die USA betrachten es nicht als notwendig, die sowjetischen Beschuldigungen zu entkräften, die in der Note vom 27. November 1958 bezüglich der Handlungen der Vereinigten Staaten als Besatzungsmacht In Berlin erhoben werden. Sie können und werden es aber tun, falls eine solche Maßnahme zweckdienlich erscheinen sollte. Die wohlbekannte Tatsache, daß ein ständiger Strom von Flüchtlingen aus dem sowjetisch kontrollierten Gebiet Deutschlands nach Westberlin fließt, ist an sich schon ein überzeugender Beweis dafür, welche Mächte ihren Besatzungspflichten in der richtigen Weise nachkommen. Diese Tatsachen brauchen jedoch nicht erörtert zu werden, da die sowjetischen Beschuldigungen in keiner Weise mit den Verpflichtungen in Zusammenhang stehen, die die USA in jenen Abmachungen übernommen haben, die die Sowjetunion aufgekündigt hat.

Der sowjetische Standpunkt, daß ein Partner eines multilateralen Abkommens, das bestehenden Rechten Ausdruck verleiht, dieses Abkommen aufkündigen, sich einseitig von seinen darin übernommenen Verpflichtungen befreien und die betreffenden Rechte für null und nichtig erklären kann, Ist unhaltbar. Sofern keine Zustimmung der anderen Partner zur Aufhebung des Abkommens vorliegt oder sofern die Geltungsdauer des Abkommens selbst nicht genau festgelegt ist, müßte die Frage der Aufhebung gemäß dem Völkerrecht klargestellt werden. Das Völkerrecht anerkennt aber unter solchen Umständen kein Recht der einseitigen Aufhebung.

Um ihren Standpunkt in dieser Frage in die richtige Perspektive zu rücken, möchten die USA betonen, daß zwar, wie oben ausgeführt, keine Vereinbarung oder Befristung hinsichtlich der Dauer der alliierten Besetzung bestand

— sollte doch diese Dauer anerkanntermaßen davon abhängen, welcher Zeitraum notwendig wäre, um die Ziele der Besatzung zu erreichen, mochten auch Jahre darüber hingehen —‚ daß aber die USA eine völkerrechtliche Verpflichtung der alliierten Regierungen anerkannt haben, eine Friedensregelung mit Deutschland herbeizuführen und die Besetzung Deutschlands nicht unnötig zu verlängern. Man darf annehmen, daß die von der Öffentlichkeit registrierten Bemühungen der Westmächte um eine Einigung mit der Sowjetregierung über die Bedingungen einer solchen Friedensregelung allgemein bekannt sind und für sich selbst sprechen.

1. Auf der ersten Sitzung der zweiten Tagung des Rates der Außenminister (Paris 1946) schlug Außenminister Byrnes vor, eine Sonderkommission einzusetzen, um einen deutschen Friedensvertrag zu erörtern. Am 15. Mai 1946 empfahl er die Ernennung von Sonderbeauftragten, um den Entwurf einer Friedensregelung für Deutschland vorzubereiten, den der Rat einer zum 12. November 1946 einzuberufenden Friedenskonferenz unterbreiten sollte.

2. Auf der dritten Sitzung des Rates der Außenminister (New York 1946) bestand Außenminister Byrnes darauf, daß der Rat umgehend seine Deutschlandbeauftragten ernennen sollte und daß diese Beauftragten das Problem noch vor der Moskauer Tagung untersuchen soBten.

3. Der vorgeschlagene Friedensvertrag wurde auf der Moskauer Tagung des Rates der Außenminister im März 1947 sowie im gleichen Jahr in London und 1949 in Paris erörtert. Die konsequente Befürwortung einer endgültigen Friedensregelung mit Deutschland seitens der USA Ist somit der Öffentlichkeit bekannt.

4. Auf der Pariser Tagung der Stellvertreter des Rates der Außenminister wurde vom 5. März bis zum 22. Juni 1951 ohne jeden Erfolg versucht, wenigstens Übereinstimmung über die Tagesordnung für eine Konferenz zur Erörterung der deutschen Frage zu erzielen. -

Tatsache ist, daß während der zeit der Gespräche zwischen der Sowjetunion und den westlichen Besatzungsmächten von 1946 bis 1951 die Sowjetunion in Ihrer Kontrollzone ein Regierungssystem eingeführt hat, das auf bewaffneter Gewalt und Polizeistaatmethoden basiert. Die Westalliierten können in den Personen, die als Repräsentanten Ostdeutschlands ausgegeben werden, nichts anderes sehen als Werkzeuge der Sowjetunion. Die Westmächte haben daher darauf bestanden, die deutsche Wiedervereinigung auf der Grundlage freier Wahlen als eine Voraussetzung für Verhandlungen über einen Friedensvertrag mit Deutschland zu betrachten. Die Sowjetunion bestand darauf, daß die von ihr bestellten ostdeutschen Vertreter bei einer Wiedervereinigung dasselbe Mitspracherecht haben sollten wie die frei gewählten Vertreter Westdeutschlands. Somit hat diese Ablehnung der demokratischen Prinzipien durch die Sowjets die Anstrengungen zunichte gemacht, Einvernehmen über eine Friedensregelung mit Deutschland zu erzielen, wie sie während des Krieges und in der ersten Nachkriegszeit ins Auge gefaßt war.

Tatsache bleibt, daß die Westmächte das Anrecht Deutschlands auf eine endgültige Friedensregelung und eine Beendigung der Besatzungszeit unterstützt haben und jetzt noch unterstützen. Die USA vertreten den Standpunkt, daß es angesichts dieser ihrer ehrlichen Bereitschaft, der Besatzungszeit mit legitimen Mitteln ein Ende zu setzen, keine juristischen oder moralischen Zweifel an der Berechtigung der USA geben kann, ihr Besatzungsrecht in Berlin und Ihr damit verbundenes Recht auf Zugang nach Berlin aufrechtzuerhalten, ebensowenig wie daran, daß die Versuche der Sowjetunion, diese Rechte anzufechten und anzutasten, eine Verletzung des Völkerrechts darstellen.

Erklärung des US-Außenministeriums zu der sowjetischen Note, abgegeben am 27. November 1958

Die Sowjetregierung hat dem Botschafter der Vereinigten Staaten in Moskau heute eine Berlin betreffende Note übergeben. Offenbar haben die Botschafter Frankreichs, des Vereinigten Königreichs und der Bundesrepublik Deutschland ähnliche Noten ‘erhalten. Die Mitteilung ist sehr lang und wird selbstverständlich sorgfältig geprüft werden.

Die Sowjets scheinen vorzuschlagen, daß die drei Westalliierten auf ihre Rechte in Westberlin verzichten und sich zugunsten der Schaffung einer sogenannten „freien Stadt“ zurückziehen, während sie selbst Ostberlin weiter in der Hand behalten. Ihr Vorschlag zur Schaffung einer „freien Stadt“ ist auf Westberlin beschränkt. Die Sowjetregierung deutet an, daß sie sich von ihren Verpflichtungen gegenüber den drei Westalliierten in bezug auf Berlin entbunden betrachten wird, falls diese den sowjetischen Vorschlag nicht binnen sechs Monaten akzeptieren.

Es ist klar, daß damit verschiedene grundsätzliche Erwägungen aufgeworfen werden, die bei der Prüfung der sowjetischen Note im Auge zu behalten sind.

Dazu gehört, daß die USA zusammen mit Großbritannien und Frankreich sich feierlich verpflichtet haben, die Sicherheit der Westsektoren von Berlin zu wahren. Zweieinviertel Millionen Westberliner haben im Vertrauen darauf überzeugend und mutig demonstriert, welche guten Früchte die Freiheit trägt.

Eine weitere Erwägung ist, daß die USA eine einseitige sowjetische Aufkündigung der Verpflichtungen und Verantwortlichkeiten, die die Sowjetunion hinsichtlich Berlins in aller Form mit Großbritannien, Frankreich und den USA vereinbart hat, nicht hinnehmen werden. Ebenso wenig werden sie mit der Sowjetunion irgendein Abkommen schließen, das, gleichviel in welcher Form, letztlich die Auslieferung der Bevölkerung Westberlins an eine feindselige Herrschaft zur Folge haben würde.

Die Westalliierten haben sich jahrelang um Verhandlungen mit den Sowjets über die Freiheit ganz Deutschlands, dem Berlin zugehört, auf der Basis vom deutschen Volk selbst durchgeführter freier Wahlen bemüht. Tatsächlich warten die drei Westmächte immer noch auf die Beantwortung ihrer letzten Vorschläge, die der Sowjetregierung am 30. September 1958 zugestellt wurden.

Die Regierung der Vereinigten Staaten wird mit der britischen und der französischen Regierung sowie mit der Bundesrepublik Deutschland und der NATO über die neue sowjetische Note beraten.